Fulda - Weser und Loire

Donnerstag, 12. Juli 2012

Von Charité bis Pouilly-sur-Loire

Benediktinerkloster in Charité
Wir stehen früh auf, um noch einen Blick in die wunderbare Altstadt von Charité zu werfen. Wir sind uns einig, dass wir lieber hier einen Sightseeing-Tag einlegen hätten sollen. Um wieviel reizvoller als Nevers! Wir genießen einen weiten Panoramablick von hohem Mauerwerk und wandeln in der geistlichen Ruhe des alten Benediktinerklosters. Die Morgensonne erleuchtet das Innere der Gewölbe und im genialen Spiel des Lichts wird dem Stein jede Schwere genommen. In der örtlichen Atmosphäre können wir die französische Gotik mit allen Sinnen wahr zu nehmen.

Als wir gegen Mittag abbauen, sind andere Paddler bereits vom Platz. Die Etappe durch das kurze Naturreservat unterscheidet sich wenig von den davor liegenden Flussabschnitten. Alles Natur. Irgendwann taucht rechts ein schlossartiges Gebäude auf. Im Vergleich zu dem, was im Unterlauf der Loire noch zu sehen sein wird, ist dieses trotz Zinnen und Türmchen in keinem repräsentativen Zustand. Wir haben diesmal Zeit, aber keine Lust, es näher zu besichtigen.

Den Nachmittag nach der 14 km kurzen Etappe haben wir für Pouilly-sur-Loire (km 505) vorgesehen, ein Ort, der lt. DKV-Führer "pittoresk" sein soll. Im Moment bin ich nicht sicher, was "pittoresk" heißt. Etwas ähnliches wie "grotesk", "bizarr", "schräg"? Was macht einen Ort pittoresk?
Eisenbahnbrücke vor Pouilly


Die im DKV-Führer angekündigte Pfahlreihe und das Steinbarre unter der Brücke sind durch den hohen Wasserstand kein Hindernis. Auch hier gibt es viele Sandbänke im Fluss. Wir fahren rechts hinter eine Insel in eine sehr seichte Rinne und gelangen so zum Campingplatz.
Am Ausstieg wartet eine Gruppe Paddler,  - zwei deutsche Frauen und ein Mann. Redselig beschreibt uns eine der Damen ihre Eindrücke von dem Ort, den sie als "wirtschaftlich versandet" beschreibt. "Die Versandung der Loire hat den wirtschaftlichen Niedergang des einst blühenden Städtchens im 19. Jahrhundert besiegelt, hab ich vorhin wo gelesen", erzählt sie und entschuldigt ihren Vortrag mit einem Augenzwinkern, dass sie Lehrerin sei. "Und jedes zweite Haus steht zum Verkauf." Aber was pittoresk heißt, wisse sie im Moment auch nicht. Ein offenes Restaurant gäbe es nicht, dafür einen kleinen Laden. Sie haben schon genug von diesem scheintoten Ort und paddeln weiter nach Saint-Thibault wo auf dem Berg Sancerre eine Weinverkostung mit einer deutsch sprechenden Winzerin sein soll.

Wir sind nun echt gespannt auf das pittoreske Pouilly und ziehen gleich nach dem Zeltaufbau los. Sicher, es sieht ein wenig anders aus als anderswo, aber was meint man mit pittoresk? Der etwas herbere Charme einer Weingegend? Noch nie habe ich derart perfekt gepflegte Weingärten gesehen! Hier müssen wirklich Spitzensorten wachsen.
Einige aufgelassene Restaurants zeigen, dass hier wirklich nicht mehr viel los ist. Menschenleere Gassen, leere Häuser, ein schlichtes Café mit wenigen Gästen, zwei Boulangerien und der erwähnte Laden. Trist ist es nicht, aber doch ein wenig melancholisch.  Wir finden jedoch alles, um uns zu verpflegen. Ein uriger Verkäufer mit Bauch, Schnapsnase und Zigarette im Mundwinkel. Das Geschäft wirkt ein wenig chaotisch, aber dafür glänzt es mit viel versprechendem Wein. Hinten auf einer Kühltruhe stehen in offenen Holzsteigen frische, unverpackte Käselaiber. Die sehen fantastisch aus, aber wir wissen nicht, ob wie wir sie einfach mit der Hand herausnehmen dürfen. Neben der Kassa finden wir eine Käsevitrine mit denselben Sorten, wir wählen zwei aus, der Mann nimmt sie mit der bloßen Hand und wickelt sie in Papier ein. Ziemlich rustikal. Vor Ladenschluss noch schnell knusprige Baguettes und der Abend sollte gerettet sein.

Zurück am Campingplatz treffen wir die deutschen Gruppe, welcher wir schon einige Tage vorher begegnet waren. Jetzt kennen wir uns ja schon ein wenig und wechseln ein paar Worte. Sie haben ihre Autos geholt, wollen hier aufhören, sind aus Havelberg. Ich frage eine Paddlerin, wie sie das mit der hiesigen Gastronomie so gehalten haben, ob sie mit den Öffnungszeiten zurecht gekommen sind. Sie erwidert, dass sie damit nichts am Hut haben, sich nur aus dem Supermarkt ernähren und zusätzlich Fische fangen.

Tatsächlich sind diese kleinen, würzigen Schafkäse zum Rosé ein Traum. Wir bereuen sehr, dass wir nicht mehr Sorten genommen haben! Aber der Laden hat sicher schon zu.
Wir machen noch einen Abendspaziergang durch die Weingärten. Leichter Nieselregen setzt ein. Am Loireufer treffe wir wieder auf die deutschen Zeltplatz-Nachbarn. Ohne Worte biegen sie zu einer Weinboutique ab. Schleppen danach vollzählig Weinkartons zu ihren Autos. Ihr Urlaub ist wohl gelaufen. Warum sie gerade in dieser abgelegenen Stadt aufhören, bleibt mir rätselhaft.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen