Ich verfolge ab und zu den Erfahrungsaustausch zwischen Paddlern in Internetforen, wo mich manchmal zur Schau getragenes Expertenwissen irritiert. Zwischen Theorie und Praxis klaffen bekanntlich Welten.
Mehrere Tage gemeinsam einen Fluss zu befahren, so lange und intensiv, bis die feinen Unterschiede zwischen dem angeborenen Instinkt, dem naturnahen Verhalten und dem virtuell propagierten Outdoor-Konsum-Habitus heraus gearbeitet sind.
Viele der interessanten Diskussionen und die Informationsfülle des Internets rund um das Paddeln fördern nicht nur das Reisen in der Natur sondern leider nicht unwesentlich das Sich-selbst-Präsentieren mit Produkten, zu dem es detaillierte Anleitungen liefert. Zum traditionellen Paddler gesellt sich die oberflächliche Bespielung von Wasserwelten mit Freizeitartikeln, ein kommerzieller Keil drängt sich in Rückzugsgebiete des Abenteuers. Dem will man natürlich entkommen, da man sich als "Original" nicht mit irgendwelchen daher geschwommenen "Plagiaten" identifiziert.
Die Loire führt immer noch gut Wasser, die natürlichen Wehre sind meist problemlos befahrbar, machen nur ein wenig Wellen. Die Regenschauer sind nur kurz. Wir genießen ein Glas Rotwein am Schotterstrand.
Wir lassen uns gerne treiben. Ein schlichter, markanter Turm bei Imphy bleibt lange sichtbar. Ein älterer Franzose paddelt mit einem lustigen Luftboot vorbei und singt laut Chansons.
Schließlich gelangen wir nach Nevers (km 458). Am linken Ufer vor der Steinbogenbrücke sehen wir die große Anlage des Campingplatzes und am Ufer wartend - die deutsche Gruppe. Was ist das Geheimnis ihrer wortkargen Art? Ein Teil wandert bereits mit den Kajaks über die geräumige Wiese, zwei bleiben am Ausstieg wartend zurück. Ich grüße und beginne ein wenig zu plaudern, aber die Kommunikation ist wieder dürftig. Sie fahren weiter, auch gut, dann sind wir sie zumindest los. Wir wollen einen Tag da bleiben und freuen uns auf die erste richtige Stadtbesichtigung auf unserer Tour!
Architekturstudien der Altstadt |
Da gestern Sonntag war, haben wir nur mehr wenig Lebensmittel, wir sollten also einen Supermarkt in der Nähe finden. Eine junge Frau weist uns endlich den richtigen Weg in der verwinkelten Altstadt zu einem Laden, wo wir das nötigste bekommen. So begnügen wir uns mit einem Menü aus der Folie am Campinggas, ein wenig Aufbaubier, ein letzter Schluck Rotwein. Gegenüber die spirituelle Quelle, die Märtyrerin Julitta, die uralten Fundamente, die schwer versöhnbaren Brüche unserer Gegenwart, ausgespuckt auf den Rasen eines lauten Platzes voller stressiger Jugendlicher.
Es ist kein Ort zum Entspannen.
Eingerüsteter Kirchturm, Altstadt |
Die Klos und Waschräume sind bis Mitternacht von lauten französischen Jugendlichen belegt, die neben den Ladegeräten und Handys Party machen. Sie sind ein chaotischer Haufen, vermutlich von den Eltern in ein Art Billig-Ferienlager abgeschoben, ausgestattet mit defekten Fahrrädern, beaufsichtigt von zwei überforderten Studenten, die permanent reparieren müssen.
Wir haben nun Gelegenheit, sie bei ihrer schwierigen Arbeit zu beobachten. Die Jugendlichen machen jetzt ein Rennen zu unser herunter, bilden vor uns kleine Gruppen, bis ich drauf komme, dass das Tipi die jungen Radfahrer neugierig macht. Einer der Betreuer treibt sie weg, grüßt uns entschuldigend, sie sind laut aber harmlos, da sind wir schon nachsichtig.
Trotzdem bereue ich unsere Fehlentscheidung und denke an die Deutschen die weiter gezogen sind, ohne ein Wort zu verlieren. Wussten sie vom überlaufenen Charakter dieses Platzes, hatten sie Angst, dass wir uns vielleicht anhängen, in ihre Idylle folgen könnten? Aber dann beschließen wir die Situation einfach so zu nehmen, wie sie ist.
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