Fulda - Weser und Loire

Mittwoch, 18. Juli 2012

Von der Insel der Geduld bis Saint Ay

Es wirkt vielleicht monoton, dauernd die Wetterlagen zu erwähnen, aber die Tatsache, dass der Himmel blau ist und am Morgen Sonnenstrahlen durch die Zeltöffnung fallen, ist einfach göttlich. Die umgebende Natur lässt uns früh wach werden, wir haben eine letzte Etappe von 31 km vor uns. Es ist der herrlichste Tag unserer Reise. Prächtige Vogelschwärme in einer weit verzweigten Wasserwelt mit Inseln und malerischen Dörfern.



Hohe Dämme und die Verzweigung der Loire in Kanäle kündigen Orleans (km 633) an. Langsam treiben wir die Flusspromenade entlang, die Kathedrale St. Croix im Blick. Im Stadtbereich halten wir vor der 3. Brücke, ein kräftiger Schwall zwischen den Steinpfeilern muss besichtigt werden. Die Wellen im Auslauf sind ziemlich wuchtig. Wir ziehen die Spritzdecken auf und nehmen die Durchfahrt in der Mitte. Was auffällt: Kein Müll in und unterhalb der Stadt.

  Auf einem Schotterspitz machen wir Mittagspause. Auf der Insel gegenüber bestimmten und sammeln zwei Biologen Kräuter. Das Wasser hier ist ganz klar, die weit gefächerte Auenlandschaft wie ein riesiger lebendiger Organismus, in dessen gesunden Adern wir Kraft tanken dürfen.


Die Suche des Zeltplatzes, unseres vorläufigen Endpunktes gestaltet sich als langwierig. Dichte Ufervegetation und ein mit den Jahren vielleicht unsicher gewordener DKV-Führer sorgen für Anspannung, auch die digitale Karte am Outdoor-Phone hilft kaum weiter, Saint Ay (km 648) vom Fluss aus zu finden. Nach mehrmaligem Aussteigen finden wir endlich einen entsprechenden Wegweiser. Da Saint Ay gefunden ist, kann die Suche des Campingplatzes beginnen, endlich sehen wir nach einigen inspizierten Wiesen am Ortsende die typische Kulisse der mobilen Reisenden.

St. Ay
Der Platz ist sauber, ruhig und naturbelassen. Wir erkunden den Ort, lassen uns in Geschäften Bus- oder Bahnverbindungen nach Orleans geben und freuen uns über die Hilfsbereitschaft der Einheimischen. Den Abschluss unserer Fahrt feiern wir bei einem ausgiebigen chinesischen Buffet. 

Es braucht seine Zeit, bis man sich in eine Gegend einfühlen kann, von der man einige Vorstellungen hat, aber im Grunde wenig weiß, deren Sprache man nicht spricht. Wenn man Geduld mit sich selbst und mit anderen aufbringt, wendet sich alles am Ende immer zum Guten. Es wird einem dann wie von selbst entgegen gebracht, als farbenfroher Abschluss einer Reise voll Regen mit anschließendem Sonnenschein.  Man muss Geduld mit sich selbst und anderen haben. Dieses stille Resümee ging mir seit der verträumten, wilden Insel durch den Kopf. Ich nenne sie von jetzt an die Insel der Geduld.

Dienstag, 17. Juli 2012

Von Sully bis zu einer wilden Insel

Erwachen in Sully-sur-Loire. Morgenwäsche in dem etwas beengten Waschraum des Campingplatzes. Wir wollen vor der Abfahrt einen Rundgang durch die Stadt machen. Der graue Himmel zieht wieder ein wenig Melancholie über die Landschaft. Berufsverkehr donnert über die Brücke, hallt von den Steinmauern des Loireschlosses als Noten des Arbeitstages. Wir finden einen Supermarché, besorgen Brot und Baguette in einer Boulangerie. 
Zurück zum Platz, Frühstück. Die Radler und Jugendgruppen bauen bereits ab. Ein wenig weiter entdecke ich deutsche Paddler mit schnittigen Booten auf den Dächern großräumiger Fahrzeugen vor dem gemieteten Bungalow und erfüllen das Klischee betuchter Touristen.

Schließlich schieben auch wir den Kanadier durch seichtes Wasser in die Loire. 28 km bis Saint Denis sind geplant. Wir machen anfangs Kilometer, sehen uns die vielen Vogelschwärme, durchmischt mit Möwen, Reihern, Kormoranen an.

Später beobachten wir einen Seeadler, der erfolgreich einen Fisch fängt. Er zieht über uns hinweg, seine Beute trägt er wie einen silbernen Torpedo hoch in die Luft.  Bis Châteauneuf (km 607) ist die Flusslandschaft besonders idyllisch. Viele seicht überspülte Schwallstrecken. Sonne und Gegenwind.


An unserem Ziel, links St. Denis und rechts Jargeau (km 615) nehmen wir unter der Brücke den Schwall ganz rechts und suchen danach den beschriebenen großen Campingplatz am linken Ufer. Wir stoßen dort am Strand auf einen wahren Volksauflauf, eine organisierte Strandparty. Wir haben keine Lust, bei dem Gewühl anzulegen, vom Campingplatz ist nichts zu sehen. Langsam treiben wir vorbei und spähen nach Zelten oder Wohnwägen. Vielleicht ist der Platz etwas weiter unten? Nichts zu erkennen, die Ufervegetation ist zu dicht. Vom Strand rufen einige Jugendliche zu uns herüber, "Aleman-Deutsche-Scheiße!" Wir haben nun genug von diesem Ort und suchen in sicherer Entfernung einen wilden Platz.

Einige km weiter werden wir auf einer Insel fündig. Sie bietet eine versteckte, ebene Fläche hoch über dem Wasser, langes weiches Gras, umgeben von Büschen und Bäumen, vom Ufer aus nicht einsehbar. Von irgendwo wirken schöne Klänge versöhnlich auf uns, wie eine liebliche Willkommensmusik. Ich suche mit dem Fernglas die Ufer ab. Einen knappen km weiter unten am rechten Ufer probt eine kleine Hornbläserkapelle. Ein paar Männer stehen vor einem Van und spielen eigentümliche mittelalterliche Klänge über den Fluss. Zwischen den Stücken gibt es Pausen, es dürfte ein wenig Bier oder ähnliches fließen.  Gegenüber der Insel entspannt sich gerade am Strand eine junge Mutter mit zwei Kindern in der Abendsonne. Hier fühlen wir uns sicher. 







Montag, 16. Juli 2012

Von Gien bis Sully-sur-Loire

"I like this Monday" - ist Gien bei Sonne schön! Der Himmel strahlend blau bei abwesenden Wolken. Wie vom Platzmeister angekündigt, trottet zeitig in der Früh eine Herde Schafe durch den Uferbereich des Zeltplatzes, blökend und bimmelnd mengen die harmlosen Tiere sich in das morgendliche Geschehen.

Schafherde am Zeltplatz
Der Anblick der ziehenden Herde im scharfen Morgenlicht ist einfach großartig. Ein stattlicher Ziegenbock fordert gleich einmal vehement ein Extra-Frühstück. Manche der Campinggäste kommen aus ihren Caravans und Zelten herunter, fotografieren schwarze und weiße Schafe mit ihren herzigen Lämmern. Etliche der Tiere hinken leider, was entweder auf Huffäule oder sehr brutalen Hufschnitt hindeutet. Nach einer Weile kommt der alte Schäfer nach, mit Hut, Bart und Stock, kommandiert seine 3 Hunde, welche flink und chaotisch enthusiastisch ihre Arbeit verrichten.

Nach der Herde ziehen auch wir langsam ab, paddeln hinüber zum Áchan, wo wir frisches Wasser kaufen. An diesem Tag stehen 22 km mit einer Wehr bei einem weiteren Atomkraftwerk (km 573) am Programm. Die Gegend ist sehr flach und das Kraftwerk weithin sichtbar. Als wir nach 9 km dort anlangen, gestaltet sich die Prozedur des Umtragens nicht so weit und schwierig, wie im Flussführer beschrieben. Es ist sicher eine Frage des Wasserstandes. Ein unbeladenes Boot hätte man vielleicht ohne Probleme über die flache Betonrampe am linken Ufer treideln können. Ich inspiziere die Stelle genauer, leider befinden sich im Beton viele Eisenteile, die ein Boot schwer beschädigen könnten. Es lässt sich nicht genauer ersehen, was sich unter dem harmlos wirkenden Wasserschwall sonst noch befindet.

Boat-Power
Wir gehen auf psychologische Distanz zu dem unsympathischen Atommeiler und finden auf einer romantischen Schotterinsel einen schönen Platz zum Grillen. Dieses Nebeneinander von technischen Großanlagen und ziemlich sauberer, artenreicher Natur wirkt sehr fortschrittlich, waeren da nicht diese ungelösten Probleme der Kernenergie wie Müllentsorgung, GAUs und menschliche Unzulänglichkeit. Um diesen Kontrast zu unterstreichen, lassen sich an diesem Tag mehrere Seeadler erblicken. Wir verhalten uns wie Treibgut und können sie mit dem Feldstecher ausgiebig beim Jagen und Baden beobachten.

Mit viel Sonne und Gegenwind erreichen wir Sully-sur-Loire (km 587). Ein eindrucksvolles Loire-Schloss dominiert die Stadtansicht am linken Ufer.

Der beschriebene Campingplatz vor der Brücke gleich beim Schlosspark existiert jedoch nicht mehr. Die Herumfragerei und Suche nach dem alternativen Platz hat viel Zeit gekostet, zudem die Boote weit draußen auf einer seichten Schotterbank liegen bleiben müssen. Der aktuelle Platz befindet sich am rechten Ufer ca. 100 Meter unterhalb der aufgelassenen Eisenbahnbrücke und ist vom Fluss aus kaum zu sehen. Es gibt keine reguläre Bootsrampe, die Suche nach einem brauchbaren Ausstieg erfordert Phantasie.
Blick auf Sully

Es ist ein sehr großer Platz mit viel Betrieb, die sanitären Anlagen sind dagegen unter dimensioniert. Die entsprechende Geruchsentwicklung hält trotzdem viele Urlauber nicht davon ab, vor allem bei den Damen, sich hier vor der Toilette anzustellen. Ich halte es für ratsamer, dem Fitnesspfad in den Wald zu folgen und dort in einem entlegenen Winkel mein Geschäft zu erledigen.

Sonntag, 15. Juli 2012

Von Châtillon bis Gien

Ein regenfreier Sonntag am Campingplatz von Châtillon, wenn auch bewölkt.  Abbau ohne Hektik, wir kommen spät weg, die geplante Etappe ist nur kurz, bis Gien sind es nur ca. 14 km.

Eine besondere Freude sind die überspülten Schwallstrecken der hier schon breiten Loire. Ein nächster markanter Punkt ist das Aquädukt des Pont Canal (km 554) und einige Paddelschläge weiter taucht die Steinbogenbrücke von Gien (km 564) auf.  Die Lage der Städte am Fluss ähnelt sich sehr, ihre Anlage weist überall das selbe Konzept auf.

Kirche Sainte-Jeanne-d'Arc
Rechts auf einem leichten Hügel die Altstadt und links unterhalb der Brücke befindet sich ein großer Campingplatz, der ziemlich belegt ist. Ein amtlicher Herr in der schmucken Rezeption  kommuniziert eloquent auf Englisch und wacht gendarmenhaft über die Korrektheit aller Formulare, wir ziehen es vor, seine Anweisungen freundlich und brav abzunicken.
Der Platzmeister zieht mit dem Finger eine Grenze über einen Plan des Geländes und gibt die Anweisung, auf dem letzen Wiesenstreifen zum Flussufer nicht zu zelten, da dort am Morgen Schafe durch getrieben werden.

Aber gerade dort ist das Gras am schönsten und noch einigermaßen Platz. Wir sehen, dass es ein paar Abweichler gibt, und stellen neben einigen Familien mit Fahrrädern in der Weidezone unser Zelt auf.

Das Schloss von Gien
Das Nachmittagslicht ist sehr schön und die lagernden Grüppchen zeigen gerne sich in geselliger Freizeitstimmung.  Vom anderen Ufer lockt uns ein Idyll mit alten Wunden, wie der anschließende Besuch der Altstadt dann zeigt.

Neben dem markanten Schloss bildet die wieder errichtete Kirche Sainte-Jeanne-d'Arc mit ihrer tiefsinnigen Licht und Materialsymbolik ein weiteres  Mahnmal für ihre tragische Zerstörung im 2. Weltkrieg. Die vielen Bombentreffer auf Großkirchen der Region, sind selbst Indikator für die Geisteshaltung der damaligen Angreifer. Ein absoluter Vertrauensbruch, ein Trauma, das bis heute andauert. Nach wie vor wird der deutschen Sprache eine gewisse Ablehnung entgegengebracht.  Es zeigt sich, dass man mit Spanisch, oder sogar Polnisch viel weiter kommt. Ob damit zusammen hängt, dass am Sonntag Nachmittag alle Restaurants geschlossen bleiben und die Bewohner dadurch auf Touristen pfeiffen,  bleibt offen. 


Loireufer und Steinbogenbrücke
Um halb sechs öffnet ein Pizza-Service vor der Brücke, hungrig schleppen wir die Kartons auf den Zeltplatz. Die salzigen Pizzas machen sehr durstig, aber das Wasser vom Waschraum schmeckt auffällig schlecht nach Chlor, wir versorgen uns lieber mit dem alten Wasservorrat aus Châtillon. 










Samstag, 14. Juli 2012

Regen und Sonne bis Châtillon

Am Morgen ein wohliges Erwachen in strahlender Sonne. Zwar ziehen da und dort noch Wolkenfetzen vorüber, aber die Chance, nach der gestrigen Dusche alles trocken auf das Wasser zu bringen ist ganz real. Ein knuspriges Pan plus 3 Croissant von der Rezeption geholt und ausgiebig die Reste gefrühstückt, später wird im Supermarché der Proviant wieder aufgestockt.  Einen alten Brotlaib schenke ich auf dem Weg in die Stadt einem schwarz gelockten Tramper, anstatt die Vögel und Fische damit zu füttern.
In sonniger Stimmung schieben wir unsere beladenen Boote auf dem Bootswagen die Rampe am Bootsverleih hinunter. Zwei "Kommerzielle" stehen rauchend da und schauen mürrisch drein. Das gestrige Wetter hatte ihnen einen ordentlichen Strich durch die Rechnung gemacht. 

Doch das Wetter hält nicht, nach einem gerecht geteilten Aufbaubier paddeln wir in bester Laune in einen ordentlichen Wolkenbruch, zuerst wollen wir das noch ohne Regenjacken und Spritzdecken aussitzen, aber dann werden wir für den Rest des Tages respektvoll abgekühlt. Immer wieder suchen wir vor vorbeiziehenden Regenschwaden Schutz unter hängendem Geäst der Ufervegetation. Nach 14 km ein Atommeiler (km 537). Ein hässlicher Moloch mit dem sich unser unverzichtbarer Wohlstand erkauft wird. Der Flussführer warnt ausdrücklich vor einer bootsmordenden Rinne am Kraftwerk.

Dunkle Fetzen von Regenwolken vermischen sich mit dem weißen Abdampf der Kühltürme. Vor den nächsten Regenschauern finden wir unter der Brücke an der Bootsrampe Schutz. Wir schlüpfen bei der Gelegenheit in die Neoprensachen, denn zusätzlich weht ein kalter Wind und stärken uns mit Pfirsich und Schokolade.
Danach entkommen wir den Regenwolken ringsum. Über uns bildet sich ein tiefblauer Kosmos, der mit uns mitwandert, eingekreist von allen möglichen Wolkenformen.
Am idyllischen Ort Ousson-surLoire (ca. km 549) kommt Bewegung ins Flussbett, aber durch den hohen Wasserstand werden alle Felshindernisse überspült.  Nach einer malerischen Biegung bekommt die Loire-Wasserwelt einen lieblichen Charakter, Ausflügler winken uns vom Ufer zu und bald sehen wir die Hängebrücke von Châtillon-sur-Loire, hinter der sich am Rechten Ufer nach einer historischen Kanalschleuse ein herrlicher, sehr geräumiger Campingplatz befindet.
In der Rezeption ist niemand mehr, wir finden schon alleine einen abgelegenen Platz und machen in unserer Feuerschale ein romantisches Grillfeuer. Es brennt still und sparsam dahin, während in einem gnädigen Abendlicht an der Wäscheleine unsere Sachen trocknen.
Die Nacht ist voll vom Staccato und den bunten Blitzen ferner Feuerwerke. Der Jahrestag der Französischen Revolution wird nun lautstark angefeiert.

Freitag, 13. Juli 2012

Regen vom pittoresken Pouilly bis Cosne-sur-Loire

Der Morgen in Pouilly ist Regen verhangen, aber trocken. Die zwei deutschen Väter mit ihren 2 superaufgebauten Töchtern (beide um die 4) haben gestern ihren Volvo-Kombi nachgeholt und laden ihren Gatz 4er Kanadier auf die Dachreling. Die große Paddlergruppe aus Havelberg hat uns seit meinem letzten Gesprächsversuch gestern Abend stoisch ignoriert, auch sie packen ihre Sachen in die Autos. Warum?

Eine Schlechtwetterfront naht, wir haben seit Nevers keine Wettervorhersage mehr  mitbekommen und sind sorglos in den Tag gepaddelt. Nun brauchen wir weder Zeitung noch Radio, es genügt ein Blick zum Himmel. Was mich wirklich wurmt ist, dass keiner unserer freudlichen Nachbarn auch nur ein Wort über die Wettersituation verloren hat, so sie wirklich so dramatisch sein sollte, dass anzuraten sei, eine Tour abzubrechen. Nun verdrücken sich alle Wort- und Grußlos.
Bald beginnt es wirklich zu gießen und wir sitzen es im Zelt aus.  Optimismus hilft. In einer Regenpause bauen wir ab und kommen halbwegs trocken weg. Allein das ist schon eine Freude.

Die Fahrt auf der Loire zwar mit Spritzdecke, aber nur bei zeitweiligem Nieselregen. Schöne Naturstrecke, überflutete Sandbänke, Strömung, Reiher auf gelegentlichen Felsen im Fluss. Selbst unter den grauen Fetzen der Regenwolken sehen die Weinberge von St. Thibault (ca. km 515) malerisch aus. Auch hier keine deutschen Paddler zu sehen.

Wechselhaft feucht bis trübnass windig
Nach den feucht-kalten 17 km sehen wir die Brücke von Cosne-sur-Loire (km 523), davor links am Ufer ein Berg schriller PE-Boote eines Kanuverleihs, dahinter der Campingplatz mit einer Busladung von deutschen Kanutouristen, die triefend und frierend mit roten Ortlieb-Säcken unter den Bäumen auf ihren Bus warten. Gerade jetzt regnet es in Strömen, die Bäume bieten keinen Schutz mehr. Die Leute sind durchnässt und fertig, wollen nur mehr ins Warme und Trockene.
Wir sind gut ausgerüstet, haben wärmeisolierende Neoprensachen an, gute Jacken und Kopfbedeckungen.  Die Beine sind inzwischen abgehärtet. Wir spüren, wie warm uns eigentlich ist, wenn wir den erbärmlichen Haufen frierender Touristen sehen.

Die Rezeption ist voll mit triefend nassen Leuten, die hier vor dem Wetter Schutz suchen. Das französische, mehrsprachige Personal, zwei junge Frauen (eine schwarz, die andere weiß) und ein junger Mann, nimmt das Gedränge gelassen hin. Sie schauen zuerst verwundert bei unserem Wunsch, für eine Nacht zu zelten, scheinen sich aber zu freuen, dass es noch unkomplizierte Gäste gibt, denen das Wetter nichts ausmacht. Mit einem großzügigen Rabatt überlassen sie uns den kompletten, mehrere Hektar großen Platz, er ist abgesehen von ein paar versteckten Dauercampern so gut wie leer.
Die Boote warten mit Persenning und Spritzdecke versehen am Ufer auf unseren Einsatz. Es schüttet immer noch, das Aufstellen muss jetzt entweder gar nicht oder sauschnell gehen, sonst ist alles nass. Wir besprechen unter einem Baum die Taktik. Alle eingeübten Handgriffe müssen im Feuerwehrtempo durchgezogen werden, ohne in Fusselei und Hektik zu geraten.
Zuerst laufe ich auf die Campingwiese und suche eine geschützte Stelle unter einer der ausladenden Eichenkronen. Zurück zu den Booten. Nur mit dem Zeltsack laufen wir zu zweit zur ausgewählten Stelle. Zuerst die Zeltstange zusammen setzen. Selbst unter der dichten Baumkrone ist der schnell ausgerollte Unterboden sofort nass geregnet. Zelt mit Schwung darüber, mit 3,4 Heringen verankern, Stange hinein, hoch und verschließen. Nun kann ich seelenruhig abspannen und mit dem Schwamm die Feuchtigkeit vom Unterboden beseitigen.

Bald sind unsere Sachen im Trockenen und der riesige Platz gehört uns allein.  Wir sind gut drauf! Doch zum Erkunden der Stadt regnet es zu sehr. Lange heiße Dusche, Abendessen im Zelt, kurze Ruhe und höre da! Regenende. Nun schlendern wir in die Altstadt von Cosne, alles hat schon zu, aber wir finden einen Supermarché für morgen, umrunden alte Kirchen. Einsetzender Regen treibt uns wieder zurück.

Ruhe im Kanal von Cosne
In der Rezeption des Zeltplatzes sehen wir einige Flaschen Rosé im Regal stehen. Wir wählen eine aus. Nur muss ich schnell zum Zelt, um Kleingeld zu holen. Wieder zurück nehme ich nach dem Zahlen die Flasche in Empfang, bei der Berührung durchfährt mich ein freudiger Schreck. Sie ist wunderbar gekühlt! Der Rezeptionist hat in meiner kurzen Abwesenheit die zimmerwarme Flasche aus dem Regal gegen eine wohltemperierte getauscht! Ich bin total weg. Grinsend wünscht er uns einen schönen Abend.

Eigentlich fühle ich mich längst reif für den Schlafsack, auf dem Weg von den Waschräumen werde ich von Rockmusik abgelenkt. In dem kleinen Gemeinschaftshaus neben der Rezeption ist ein Michael Jackson Darsteller angesagt. Eintritt frei. Es wundert mich, dass die Veranstaltung bei diesem Wetter auf dem fast leeren Campingplatz statt findet. Drinnen verrenken weiße Tänzerinnen zu einem der bekannten Hits ihre Gliedmaßen im Bühnenrauch, dazu eine dünne Gestalt in schwarzem Kostüm, schwarzer Perücke und den typischen Sonnengläsern stößt fiepsende Laute schäg zur Lautsprechermusik in ein Mikrofon.
Ich packe es anfangs gar nicht, mein Lachen geht im frenetischen Applaus einer bunten Schar begeisterter Einheimischer unter.  Die Figur ist doch eine tragikomische Farse auf den entstellten Michael Jackson, bald gehe ich wieder, aber die Songs sind trotzdem gut und wiegen mich in den Tiefschlaf.








Donnerstag, 12. Juli 2012

Von Charité bis Pouilly-sur-Loire

Benediktinerkloster in Charité
Wir stehen früh auf, um noch einen Blick in die wunderbare Altstadt von Charité zu werfen. Wir sind uns einig, dass wir lieber hier einen Sightseeing-Tag einlegen hätten sollen. Um wieviel reizvoller als Nevers! Wir genießen einen weiten Panoramablick von hohem Mauerwerk und wandeln in der geistlichen Ruhe des alten Benediktinerklosters. Die Morgensonne erleuchtet das Innere der Gewölbe und im genialen Spiel des Lichts wird dem Stein jede Schwere genommen. In der örtlichen Atmosphäre können wir die französische Gotik mit allen Sinnen wahr zu nehmen.

Als wir gegen Mittag abbauen, sind andere Paddler bereits vom Platz. Die Etappe durch das kurze Naturreservat unterscheidet sich wenig von den davor liegenden Flussabschnitten. Alles Natur. Irgendwann taucht rechts ein schlossartiges Gebäude auf. Im Vergleich zu dem, was im Unterlauf der Loire noch zu sehen sein wird, ist dieses trotz Zinnen und Türmchen in keinem repräsentativen Zustand. Wir haben diesmal Zeit, aber keine Lust, es näher zu besichtigen.

Den Nachmittag nach der 14 km kurzen Etappe haben wir für Pouilly-sur-Loire (km 505) vorgesehen, ein Ort, der lt. DKV-Führer "pittoresk" sein soll. Im Moment bin ich nicht sicher, was "pittoresk" heißt. Etwas ähnliches wie "grotesk", "bizarr", "schräg"? Was macht einen Ort pittoresk?
Eisenbahnbrücke vor Pouilly


Die im DKV-Führer angekündigte Pfahlreihe und das Steinbarre unter der Brücke sind durch den hohen Wasserstand kein Hindernis. Auch hier gibt es viele Sandbänke im Fluss. Wir fahren rechts hinter eine Insel in eine sehr seichte Rinne und gelangen so zum Campingplatz.
Am Ausstieg wartet eine Gruppe Paddler,  - zwei deutsche Frauen und ein Mann. Redselig beschreibt uns eine der Damen ihre Eindrücke von dem Ort, den sie als "wirtschaftlich versandet" beschreibt. "Die Versandung der Loire hat den wirtschaftlichen Niedergang des einst blühenden Städtchens im 19. Jahrhundert besiegelt, hab ich vorhin wo gelesen", erzählt sie und entschuldigt ihren Vortrag mit einem Augenzwinkern, dass sie Lehrerin sei. "Und jedes zweite Haus steht zum Verkauf." Aber was pittoresk heißt, wisse sie im Moment auch nicht. Ein offenes Restaurant gäbe es nicht, dafür einen kleinen Laden. Sie haben schon genug von diesem scheintoten Ort und paddeln weiter nach Saint-Thibault wo auf dem Berg Sancerre eine Weinverkostung mit einer deutsch sprechenden Winzerin sein soll.

Wir sind nun echt gespannt auf das pittoreske Pouilly und ziehen gleich nach dem Zeltaufbau los. Sicher, es sieht ein wenig anders aus als anderswo, aber was meint man mit pittoresk? Der etwas herbere Charme einer Weingegend? Noch nie habe ich derart perfekt gepflegte Weingärten gesehen! Hier müssen wirklich Spitzensorten wachsen.
Einige aufgelassene Restaurants zeigen, dass hier wirklich nicht mehr viel los ist. Menschenleere Gassen, leere Häuser, ein schlichtes Café mit wenigen Gästen, zwei Boulangerien und der erwähnte Laden. Trist ist es nicht, aber doch ein wenig melancholisch.  Wir finden jedoch alles, um uns zu verpflegen. Ein uriger Verkäufer mit Bauch, Schnapsnase und Zigarette im Mundwinkel. Das Geschäft wirkt ein wenig chaotisch, aber dafür glänzt es mit viel versprechendem Wein. Hinten auf einer Kühltruhe stehen in offenen Holzsteigen frische, unverpackte Käselaiber. Die sehen fantastisch aus, aber wir wissen nicht, ob wie wir sie einfach mit der Hand herausnehmen dürfen. Neben der Kassa finden wir eine Käsevitrine mit denselben Sorten, wir wählen zwei aus, der Mann nimmt sie mit der bloßen Hand und wickelt sie in Papier ein. Ziemlich rustikal. Vor Ladenschluss noch schnell knusprige Baguettes und der Abend sollte gerettet sein.

Zurück am Campingplatz treffen wir die deutschen Gruppe, welcher wir schon einige Tage vorher begegnet waren. Jetzt kennen wir uns ja schon ein wenig und wechseln ein paar Worte. Sie haben ihre Autos geholt, wollen hier aufhören, sind aus Havelberg. Ich frage eine Paddlerin, wie sie das mit der hiesigen Gastronomie so gehalten haben, ob sie mit den Öffnungszeiten zurecht gekommen sind. Sie erwidert, dass sie damit nichts am Hut haben, sich nur aus dem Supermarkt ernähren und zusätzlich Fische fangen.

Tatsächlich sind diese kleinen, würzigen Schafkäse zum Rosé ein Traum. Wir bereuen sehr, dass wir nicht mehr Sorten genommen haben! Aber der Laden hat sicher schon zu.
Wir machen noch einen Abendspaziergang durch die Weingärten. Leichter Nieselregen setzt ein. Am Loireufer treffe wir wieder auf die deutschen Zeltplatz-Nachbarn. Ohne Worte biegen sie zu einer Weinboutique ab. Schleppen danach vollzählig Weinkartons zu ihren Autos. Ihr Urlaub ist wohl gelaufen. Warum sie gerade in dieser abgelegenen Stadt aufhören, bleibt mir rätselhaft.

Mittwoch, 11. Juli 2012

Von Nevers bis Charité sur Loire

Der Morgen beginnt mit einem Griff nach den Dokumenten und den Gedanken an das Shampoo. Gestern, nach der lärmenden Dusche, den Stehern in der Nacht fehlte auch noch das Shampoo. Ich hatte es dummerweise in der Kabine stehen gelassen, bin in der Nacht nochmal hin und natürlich war es nicht mehr da. Nun mache ich mich schmollend mit einer Ersatzseife auf den Weg und siehe da! Mein absolutes Supershampoo steht auf einer Waschmuschel ums Eck in einem Nebenraum, sogar mit Inhalt! Es ist eine Kleinigkeit, die den Tag gut anfangen lässt. Die Welt besteht nicht nur aus Langfingern. Ausborgen, das ist schon o.k.

Bis zum Einsetzen am anderen Ufer müssen die Boote mit Ausrüstung über die Steinbogenbrücke gebracht werden. Das volle Kanu im Straßenverkehr am Rande der Altstadt erzeugt erstaunte Gesichter. Der Bootswagen fängt ordentlich zu quietschen an. Immer im richtigen Moment geht ihm das Fett aus!  Der viele Sand hat das Öl eliminiert. Ich nehme auf die Schnelle ein wenig Butter.
Wir überholen schnell eine Gruppe Franzosen in Leihkanadiern, ab und zu regnet es leicht und wir kommen nun in einen wunderschönen Flussabschnitt. Der Zufluss der Allier schafft ein interessantes Armsystem, das Flussbett ist sehr breit und flach, mit Auwäldern rechts und links.
Als Höhepunkt des Tages suchen wir einen trockenen und windgeschützten Platz zum fleischlosen Grillen. Eine kleine sandige Bucht bietet den notwendigen Schutz. Die Bucht entpuppt sich als trocken liegender Seitenarm. Man kann auf liegenden Baumriesen ausreichend windgetrocknetes Feuerholz abernten. Kaum sind unsere Sachen ausgepackt regnet es wieder, so rücken wir unter das Blätterdach eines Baumes und in kurzer Zeit ist das Feuer groß genug, damit es uns wärmt und trocken hält.

Der Regen ist nicht ausgiebig genug, sodass das Wasser weiter steigen würde. Im Gegenteil, es scheint zurück zu gehen, oder es hat hier einfach mehr Platz. Noch sind alle Schotterbänke überschwemmt, die vermutlich bei normalem Wasserstand frei liegen würden. Es ist trotzdem notwendig, den subtilen Schlangenlinien der Haupt-Strömung im Flussbett zu folgen, da man sonst leicht in ausgedehnte Untiefen gerät. Abkürzungen werden durchwegs mit Grundberührung quittiert, die selbst mit unseren HTP-Booten heikel sind, da diese voll beladen sind. Im feineren, gerundeten Schotter stecken da und dort auch scharfkantige Steine.  Die ansonsten sehr flexible und zähe Bootswand kann nicht ausreichend nachgeben und wird von der Ladung gegen festgebackene scharfe Splitter gepresst, die hart wie Glas sind. Einmal steigen wir mitten im Fluss aus, heben den Kanadier leicht an und ziehen ihn behutsam in tieferes Wasser.
In märchenhafter Schönheit taucht Charité sur Loire vor uns auf. Wieder verbindet eine Steinbogenbrücke über einem Naturwehr die Ufer.  Das Städchen ist in allen Einzelheiten ein optischer Genuss. Wir nehmen den Schwall unter der Brücke ohne Persenning und bekommen ganz schön Wasser ab. Zudem erschweren weite Schotterbänke und Flachwasser ein Anlanden an der Insel linker Seite, auf der sich der Campingplatz befinden soll. Vom Fluss aus ist er nicht zu sehen.
Also staken wir durch das Flachwasser hinter die Insel und paddeln ein gutes Stück stromauf, aber nichts als meterhohes Steilufer! Ich schaffe es gerade da hinauf zu klettern und erspähe hinter Brennesseln ein paar Caravans. Davor ein unüberwindlicher Zaun. Da muss sich mittlerweile die Situation verändert haben, unser Flussführer ist wie schon erwähnt aus 2004. Wir paddeln wieder zurück zur anderen Seite und schieben die Boote durch das Flachwasser ans Ufer. Endlich finden wir den Campingplatz und unweit der Rezeption auch die Einstiegsstelle im Seitenarm. Wir haben vorhin um 30 m zu früh umgedreht! Also umfahren wir noch einmal die Insel und machen nach den gemütlichen 35 km ein wenig Bewegung.
Blick auf Charité sur Loire

Die kulinarische Belohnung an diesem Tag ist eine anstandslos geöffnete Pizzeria direkt an der Brücke mit wenigen Schritten zu erreichen, mit dem besten weißen Bordeau, den wir bislang getrunken haben.  Der Realität enthoben schwingen wir uns zum Abschluss im Geiste der Sonnendichter in die Altstadt, durchwandeln staunend intime Seitengässchen mit ihren eigentümlichen Katzen und eigenwilligen alten Häuschen.





Dienstag, 10. Juli 2012

Never more Nevers?

Am Vortag hatten wir eine Boulangerie ausfindig gemacht und nun machen wir uns zeitig in der Früh auf den Weg, frische Baguettes zu holen. Frische Baguettes, die Leibnahrung der Franzosen bekommt man immer. Aber wir müssen feststellen, dass man bezüglich der sonstigen kulinarischen Genüsse in der Region ziemlich lange suchen und vorplanen muss. Gestern hat sich immerhin das Mysterium der ewig geschlossenen Gastronomie ein wenig erhellt, indem wir an einer Pizzaria Öffnungszeiten gefunden haben. Zudem fragten wir einen jungen Kneipenbesitzer aus, der ein wenig Englisch sprach. Er erklärte uns, dass nur über Mittag und am Abend ab ca. 19 Uhr die Küche aktiv ist. So ähnlich dürften es viele Restaurants halten.
Über die Steinbogenbrücke in die Altstadt

Na toll, hier pfeift man auf den Tourismus. 

 Bei unserer Rückkehr zum Campingplatz dominiert ein Polizeiaufgebot das Geschehen. Geschädigte werden vernommen. In der Nacht hatte eine Diebsbande 6 Zelte plus einen Caravan aufgeschnitten, Geld und Wertsachen entwendet. Auch deutsche Urlauber stehen enttäuscht herum und warten darauf, ihre Aussage machen können. Wir fragen, was geschehen sei. Die Diebe hatten lautlos die Zelte der Kids aufgeschnitten, da sie wussten, dass Urlauberkinder meistens neben ihren IPods, Phones usw. schlafen. Ein Paar aus Großbritannien hat es ebenfalls dumm erwischt. Zelt aufgeschnitten, die Brieftasche unter dem Kopf des schlafenden Mannes hervor gezogen. Darin befanden sich auch die Fahrzeugschlüssel des teuren BMW, der mit Alarmanlage wie eine uneinnehmbare Festung dasteht, viele notwendige Dinge vorsorglich darin versperrt. Die Fahrzeugschlüssel sind weg und die Bestohlenen dürfen den Wagen nicht aus dem Auge lassen, denn es wäre ja möglich dass sich die Diebe den auch noch holen. 
Nach einer Statue in der Kathedrale

Für einige Urlauber ist die unangenehmste Sache das zerschnittene Zelt, denn es regnet in diesen Tagen recht oft. Durch den gemeinsamen Schaden rücken manche ein wenig zusammen, sie helfen sich gegenseitig, stellen Autos zur Verfügung. Einige Paddler, die hier einsetzen, finden so zusammen und sie reisen gemeinsam weiter. Der Platz leert sich schnell wieder. Uns haben die Diebe links liegen gelassen. War Glück, aber wir sind vor gewarnt. 

Der Tag verläuft mit Besichtigungen, wir nehmen uns noch einmal die Kathedrale vor, erkundigen uns nach den Zugverbindungen, der Bahnhof ist leicht zu erreichen und ganz oben auf der Agenda -  eine pünktliche Pizza zu Mittag. Später wandern wir noch 6 km zum Intermarché am Stadtrand und decken uns für die weiteren Tage ein und ersetze die verlorene Sonnenbrille. 

Der Abend im Waschraum ist besonders erfrischend. Rechts und links in den Duschkabinen rumorende Kinder, die sich schreiend unterhalten und Shampooflaschen unter mir durch schießen. Manchmal zielen sie schlecht und ich kann sie dann freundlich nach nebenan passen. Meine Revanche besteht darin, dass ich eine der umkämpften Steckdosen belege und mein Telefon  in einer Kabine komplett auflade. 

Nachdem ich diese kleine Duschraumhölle verlassen habe, fallen mir zwei rauchende Gestalten auf, die im Dunkeln von einer Geländestufe die neu hinzugekommenen Wohnmobile und Zelte observieren. Ich schlendere auf sie zu. Sie bemerken mich, werfen die Zigaretten weg und ziehen sich zwischen dunkle Caravans zurück. Ich folge ihnen in einigem Abstand durch die Dunkelheit und sehe, wie sie sich an der geschlossenen Rezeption vorbei aus dem Campingplatz verdrücken. Im Schein der Straßenlampen sind sie genau zu sehen und nun gehe ich vorsichtig durch Schatten verdeckt auf den Schranken zu. Unschlüssig stehen sie an der Kreuzung, zwei dunkle, gedrungene Typen in zerschlissenen Trainingsanzügen. Sie schauen sich kurz herum, dann verschwinden sie Richtung stadtauswärts. 

Ist schon sehr dreist, dass die heute wieder gekommen sind. Ich verändere das System unserer Gepäckverteilung und baue aus Schnüren kleine Alarmanlagen. Auch die Boote werden speziell gesichert. Ob es im Fall des Falles wirklich helfen würde, das mag offen bleiben. Ein wirklicher Schutz bleibt hier nur die Wachsamkeit. 

So wie wir einige Schattenseiten mitbekommen, sammeln sich auch viele positive Eindrücke an. Wir erleben die Franzosen im Allgemeinen als sehr diszipliniert, freundlich und hilfsbereit. Wir bemühten uns redlich ein paar Worte französisch zu sprechen und das Gesagte zu verstehen. Das funktioniert eigentlich ganz gut. Jeden Tag lernen wir etwas dazu.

Montag, 9. Juli 2012

Vom wilden Platz bei Béard bis Nevers

Beim Aufwachen bedeckter Himmel, aus der Sonnenperiode will einfach nichts werden. Trotzdem bauen wir entspannt trocken ab, die geplante Etappe bis Nevers ist nur 18 km kurz, ein Kinderspiel. Die Entfernung der Brombeerranken am Vorabend hat sich ausgezahlt, Zeltboden und Luftmatratze sind heil geblieben.Wir sind gerade beim zusammenpacken, da ziehen die deutschen Paddler vom Vortag vorbei. Zwar winkt jemand freundlich zurück, so versöhnlich könnte die Welt sein, aber irgend etwas irritiert mich. Liegt da etwas wie Konkurrenzdenken in der Luft? Oder passt der Status unserer Plastikboote nicht in deren Konzept? Oder ist diese Gruppe bereits zu groß, als dass sie Bedürfnis nach mehr Kontakt hätte?

Ich verfolge ab und zu den Erfahrungsaustausch zwischen Paddlern in Internetforen, wo mich manchmal zur Schau getragenes Expertenwissen irritiert. Zwischen Theorie und Praxis klaffen bekanntlich Welten.
Mehrere Tage gemeinsam einen Fluss zu befahren, so lange und intensiv, bis die feinen Unterschiede zwischen dem angeborenen Instinkt, dem naturnahen Verhalten und dem virtuell propagierten Outdoor-Konsum-Habitus heraus gearbeitet sind.
Viele der interessanten Diskussionen und die Informationsfülle des Internets rund um das Paddeln fördern nicht nur das Reisen in der Natur sondern leider nicht unwesentlich das Sich-selbst-Präsentieren mit Produkten, zu dem es detaillierte Anleitungen liefert. Zum traditionellen Paddler gesellt sich die oberflächliche Bespielung von Wasserwelten mit Freizeitartikeln, ein kommerzieller Keil drängt sich in Rückzugsgebiete des Abenteuers. Dem will man natürlich entkommen, da man sich als "Original" nicht mit irgendwelchen daher geschwommenen "Plagiaten" identifiziert.

Die Loire führt immer noch gut Wasser, die natürlichen Wehre sind meist problemlos befahrbar, machen nur ein wenig Wellen. Die Regenschauer sind nur kurz. Wir genießen ein Glas Rotwein am Schotterstrand.

Wir lassen uns gerne treiben. Ein schlichter, markanter Turm bei Imphy bleibt lange sichtbar. Ein älterer Franzose paddelt mit einem lustigen Luftboot vorbei und singt laut Chansons.
Schließlich gelangen wir nach Nevers (km 458). Am linken Ufer vor der Steinbogenbrücke sehen wir die große Anlage des Campingplatzes und am Ufer wartend - die deutsche Gruppe. Was ist das Geheimnis ihrer wortkargen Art?  Ein Teil wandert bereits mit den Kajaks über die geräumige Wiese, zwei bleiben am Ausstieg wartend zurück. Ich grüße und beginne ein wenig zu plaudern, aber die Kommunikation ist wieder dürftig. Sie fahren weiter, auch gut, dann sind wir sie zumindest los. Wir wollen einen Tag da bleiben und freuen uns auf die erste richtige Stadtbesichtigung auf unserer Tour!

Architekturstudien der Altstadt
Die feine Dame an der Rezeption spricht mehrere Sprachen. Geduldig warten wir auf unsere Reihe und zahlen gleich für zwei Nächte. In leichter Vorahnung auf das Kommende verzichte ich auf den Schatten der hohen Bäume und wähle einen abgelegenen Platz am Ende, den ein paar Dauercamper immer im Auge haben. Der Hunger treibt uns über die Brücke in die Altstadt. Wieder haben keine Restaurants geöffnet! Im Zustand des unfreiwilligen Fastens besichtigen wir die Kathedrale Saint-Cyr-et-Sainte-Julitte , eine heilige Nähe zu Lourdes wird spürbar, aber auch die historischen Wunden des Weltkrieges in Schautafeln und Architekturelementen, z.B. den modern gestalteten Vitragen im Kirchenschiff, ein Mahnmal. Kein Zweifel, hier wurde die Erinnerung an die Verbrechen beim Wiederaufbau in Stein gegossen, will nicht vergessen werden.


Da gestern Sonntag war, haben wir nur mehr wenig Lebensmittel, wir sollten also einen Supermarkt in der Nähe finden. Eine junge Frau weist uns endlich den richtigen Weg in der verwinkelten Altstadt zu einem Laden, wo wir das nötigste bekommen. So begnügen wir uns mit einem Menü aus der Folie am Campinggas, ein wenig Aufbaubier, ein letzter Schluck Rotwein. Gegenüber die spirituelle Quelle, die Märtyrerin Julitta, die uralten Fundamente, die schwer versöhnbaren Brüche unserer Gegenwart, ausgespuckt auf den Rasen eines lauten Platzes voller stressiger Jugendlicher.
 Es ist kein Ort zum Entspannen.
 
Eingerüsteter Kirchturm, Altstadt
Ich bereue es, dass wir noch einen Tag gebucht haben. Gegen Abend ist der Platz richtig voll. Der weite Raum zwischen uns und den anderen ist mittlerweile mit Wohnmobiles und Zelten gefüllt. Unsere Nachbarn sind  ruhig und wir grüßen uns freundlich. Die links von uns sind ein älteres Franzosenpaar mit Enkelin. Sie hatten zuvor demonstrativ ihr Wohnmobil umgestellt, als vor ihrer Nase ein deutsches Paar mit Kindern ihr Zelt aufzustellen  begannen. Obwohl auch die ganz ruhig und nett wirken. Recht von uns Holländer, die alles blitz-blank sauber halten.

Die Klos und Waschräume sind bis Mitternacht von lauten französischen Jugendlichen belegt, die neben den Ladegeräten und Handys Party machen. Sie sind  ein chaotischer Haufen, vermutlich von den Eltern in ein Art Billig-Ferienlager abgeschoben, ausgestattet mit defekten Fahrrädern, beaufsichtigt von zwei überforderten Studenten, die permanent reparieren müssen.

Wir haben nun Gelegenheit, sie bei ihrer schwierigen Arbeit zu beobachten.  Die Jugendlichen machen jetzt ein Rennen zu unser herunter, bilden vor uns kleine Gruppen, bis ich drauf komme, dass das Tipi die jungen Radfahrer neugierig macht. Einer der Betreuer treibt sie weg, grüßt uns entschuldigend, sie sind laut aber harmlos, da sind wir schon nachsichtig.

Trotzdem bereue ich unsere Fehlentscheidung und denke an die Deutschen die weiter gezogen sind, ohne ein Wort zu verlieren. Wussten sie vom überlaufenen Charakter dieses Platzes, hatten sie Angst, dass wir uns vielleicht anhängen, in ihre Idylle folgen könnten? Aber dann beschließen wir die Situation einfach so zu nehmen, wie sie ist.







Sonntag, 8. Juli 2012

Unterhalb Thareau bis zum wilden Platz bei Beárd

Das Wetter hat hier sehr viel Platz und in dieser Nacht wird er ausgiebig von Gewitterfronten genutzt. Sie laufen stundenlang hintereinander und nebeneinander von West nach Ost. "Doch Gottes schützende Hand hält die Blitze fern." und es blitzt so hell und kracht so sehr, dass man daran glaubt.

Am Morgen ist es locker bewölkt, die Stimmung ist gut. Ich schaue mit dem Feldstecher zu den "Indianern" hinunter, wie sie die Nacht überstanden haben.  Das Zelt ist weg und ich belinse eine größere Gruppe am Strand beim Bepacken der Boote. Die haben es eiliger als wir. Mir ist es nur recht, wenn das Zelt trocken in den Sack kommt. 

Wir paddeln durch bis Decice (km 425), zwei junge Franzosen in einem Kanadier grüßen und rufen uns freudig zu. Dann treffen wir am linken Ufer an der Umsetzstelle beim Kraftwerk auf jene "Indianer", die sich als größere Gruppe Deutscher entpuppt, ein paar Erwachsene mit einigen Jugendlichen. Leichter Nieselregen setzt ein. Unaufgefordert springt ein Herr mit ordentlicher Schwimmweste heran und hilft beim Herausziehen des Kanadiers. Doch ansonsten sind diese Leute eher abwesend oder abweisend, es kommt keine Unterhaltung oder gar Zusammenarbeit beim Umtragen zustande, was in dieser Situation hilfreich wäre. Sie stehen in perfekter Ausrüstung nur maulfaul vor ihren Booten und ich erfahre immerhin, dass sie auf einen ihrer Experten warten, der die Umsetz-Möglichkeiten am anderen Ufer erforschen will. Das finde ich grotesk, denn hier sind es nur wenige Schritte durch den Wald, am rechten Ufer hoher Ausstieg und ca. ein halber Kilometer.

Wie sie wollen, wir beeilen uns, das Gepäck und die Boote durch den Wald zu bringen, bevor sich der wartende Tross in Bewegung setzt und wir im Regen Schlange stehen müssen. Kaum sitzen wir im Boot, bemerke ich, dass meine Sonnenbrille aus dem T-Shirt gefallen ist, verloren beim etwas zu hektischen Beladen am sandigen Ufer. Mist, schnell zurück, doch schon ziehen die Jugendlichen ihre Kajaks schwungvoll durch den Sand ins Wasser, zertreten und versenken jede Hoffnung auf ein Wiederfinden, gleich darauf stapfen alle dicht gedrängt nach unten... Zurufen zwecklos - adiós Brille. Naja, zumindest der Regen hat wieder aufgehört.


Wir machen uns Gedanken über unangenehme Begegnungen. Es liegt sicher an einem selber, wenn manche Leute so nervend wahr genommen werden. Wahrscheinlich wird man nach einigen Tagen in der  Wildnis besonders empfindlich und "unkompatibel" für eine diffuse Gruppendynamik. Aber es kommt auf diesem schönen Fluss nicht in Frage, dass man Menschen ausblendet wie in der U-Bahn.

Wir nehmen uns Zeit, bewundern die Landschaft bei sonnigem Wetter. Ein angenehmes Picknick passt auch noch in den Nachmittag.
Und danach haben wir nichts weiter zu tun, als einen schönen wilden Zeltplatz zu finden.


Den entdecken wir schließlich gegenüber von Béard (ca. km 439). Wieder hohes saftiges Gras, der sauberste und weichste Untergrund zum Zelten, keine Spuren von Wildschweinen.

 Schon beginne ich den Unterboden auszurollen, da bemerke ich, dass die Gräser komplett von Brombeerranken unterwandert sind. Sofort entferne ich die Plane und beginne gewissenhaft mit dem Armeemesser sämtliche Dornen auszujäten.  Bliebe nur eine, wäre der neue Zeltboden perforiert und mit etwas Murphy auch noch die Luftmatratze.


An diesem Abend ist kein Gewitter in der Luft, es wird eine ruhige Nacht. Zwischen uns und dem Ufer ein sumpfiger, verwachsener Seitenarm, dahinter undurchdringliches Dickicht. Diese Stelle wird wohl ab und zu von Fischern aufgesucht, die vom Wasser her kommen. Wir genießen die Ruhe, das Refugium der Wildtiere bei einer bescheidenen Kerze, lesen still und schauen über den Strom in die Dämmerung. Fischfangende Vögel ziehen auf regelmäßigen Routen auf und ab, lassen sich im Abendlicht geschickt auf das Wasser fallen.  Auf der gegenüberliegenden Seite dichter Wald, auf einer Schotterbank ist die Herde weißer Kühe schon nach Hause gegangen. Als einziges Zeichen menschlicher Präsenz sticht in der Ferne ein Kirchtürmlein zwischen den Baumwipfeln hervor, beruhigt unsere kindlichen Seelen in der Abgeschiedenheit. Einfach göttlich.








Samstag, 7. Juli 2012

Von Diou bis zum wilden Platz irgendwo unterhalb Thareau

In der Früh ist es unerwartet strahlend blau, wolkenlos. Ein kleiner Supermarkt hat offen, Einkaufen, entspanntes Frühstück.


Abfahrt von Diou
Die Strömung  ist dynamisch, drei km unterhalb Diou bringt ein altes Wehr Bewegung in den Fluss. Wir besichtigen die Stelle und entscheiden uns für eine Durchfahrt ganz links, weil dort die Wellen am harmlosesten sind. Schwimmwesten, Spritzdecken, glatt gegangen. Mit unseren HTP-Booten müssen wir Grundberührungen nicht so sehr fürchten. Aber ich stelle mir vor, dass eine Befahrung der Loire mit empfindlicheren Faltbooten bei Niedrigwasser gar nicht so einfach ist. Es gibt zwar hauptsächlich Sand und runde Schottersteine, aber auch viele scharfe Felsen im Untergrund.

Es kommen wieder Wolken auf, es sieht jedoch nicht nach Unwetter aus. Dazwischen heiße Sonne.  Wir kommen an steilen Sandufern, Schotterinseln und Kuhherden vorbei. Unter Brücken befinden sich meist Naturwehre, die bei hohem Wasserstand überspült werden.

Hausruine an der Sandböschung
Unterhalb Tareau (km 409) wird die Loire richtig schön. Atemberaubende Biegungen.

Langsam suchen wir einen wilden Platz zum Kampieren, ohne Kühe, geschützt, hoch genug über dem Wasser. Eine riesige wilde Insel bietet sich an. Lichtung mit saftigem hohen Gras. Aber ich entdecke dort zahlreiche Wildwechsel und Schlafmulden von Hochwild. Besser weiter, denen wollen wir nicht das Schlafzimmer streitig machen.  Schließlich finden wir eine exponierte Stelle am rechten Ufer, geschützt von lockerem Baumbestand.

Gegenüber erstrecken sich die Schotterbänke in der Innenbiegung, wo wir kurz rüberpaddeln zum Baden und im Abendlicht können wir dort Wildschweinherden beobachten, die uns ein herzliches Wildlife-Theater bieten. 1 km flussabwärts sehe ich Rauch aufsteigen. Mit dem Feldstecher kann ich ein Zelt auf der Böschung und ein paar Gestalten am Strand ausmachen.
Anrückende Wolkenherden bilden ein farbiges Himmelsschauspiel in der Abendsonne. Es donnert, diesmal handelt es sich um Feuerwerke, Einstimmung auf die mehrere Tage dauernden Revolutionsfeierlichkeiten. Vorerst noch, denn bald kommt himmlischer Donner dazu.

Freitag, 6. Juli 2012

Von Digoin bis Diou

In der Nacht weckt uns immer wieder das Geräusch des Regens. Schön langsam mache ich mir wirklich Sorgen wegen dem Autostandplatz. Im Dunkeln gehe ich die Eventualität durch, wann,  ab welchem Wasserstand eine vorzeitige Rückreise mit der Bahn eingeplant werden müsste? Noch kann es nicht so weit sein, aber keine Frage, die Loire schwillt stetig an.

Am Morgen endlich Entspannung. Die Wolkendecke reißt auf, Sonne. War es richtig, gerade jetzt diese Fahrt zu machen? Meine Unsicherheit verbreitet nicht gerade die beste Stimmung. Irgendwie vergeht mir die Lust, aber gleichzeitig tut es mir schrecklich Leid, wenn wir die Schönheit der Loire versäumen! Kälte, Hunger, persönliche Unsicherheit, auf längeren Touren kann einem schon mal der Frust erwischen. Hauptsache, nicht alle auf einmal. Die ersten Tage muss immer vieles neu eingelernt werden, gegen Ende der Tour hat man sich dann perfekt zusammen gespielt, die Handgriffe sitzen.
Das ungewisse Wetter macht es im Moment nicht leichter, aber die Etappen sind ohnehin kurz gewählt, damit wir von Land und Leute mehr mitbekommen. Demnach kommen wir heute nur bis Diou (km 379), auf den knapp 30 hindernisfreien Flusskilometern können wir uns bei dieser Strömung oft treiben lassen.


Wir genießen die Naturbelassenheit des Flusses. So frei fließend unreguliert sah die Donau vor 40, 50 Jahren aus. Das Wasser ist durch die Regenfälle trübe geworden, bei normalen Wasserstand wäre es wohl klar, mit Inseln und endlosen Schotterstränden. Buschgruppen und Weiden wechseln sich mit Viehweide ab, weiße Kühe schauen zufrieden zu uns herunter.

Nur selten erblickt man eine Ortschaft gleich am Fluss, der, wie die natürlichen Hochwassermarken in der Landschaft zeigen, einen Ausdehnungsbereich von mehreren Kilometern rechts und links bekommen hat und dort einfach machen kann, was er will. Mit jedem Hochwasser werden die Biegungen anders durch die alte Kulturlandschaft gelegt, werden Inseln versetzt und etwaige alte Strassen durchschnitten. Deren zerfranste Asphalt-Enden lugen da und dort über die Böschung. Bislang war es also unrentabel, den Lauf der Loire zu bändigen, auch die parallel laufenden Kanäle sind Relikte. Freier Natur-Energie-Fluss als Kontrapunkt zum Drama der Atomkraft - doch geplante Kraftwerke werden auch hier eine zukünftige Gefahr für diese Ursprünglichkeit bleiben.

Gemütlich laufen wir am Nachmittag Diou an.  Den Campingplatz finden wir nicht auf Anhieb, die große Hinweistafel (DKV-Führer) ist weg und vom Fluss ist nichts zu sehen. Ein paar Einheimische am Ufer weisen hilfsbereit zum Ausstieg  weiter unterhalb.
Ausser einem holländischen Camper sind wir allein am Platz, genießen Komfort und Ruhe in den Duschen - und haben Hunger. Das Mysterium der stillliegenden Gastronomie bleibt ein wermutartiger Fleck in der Idylle. Dabei machen im DKV-Führer Gabel und Messer hier ein X. Ein geschlossenes X in einem kleinen, sehr ruhigen Ort?



Wir finden die Hinweistafel "Restaurant Tradition", ohne Richtungs- und Entfernungsangabe. Wieder helfen uns 2 Einheimische, die wir im Vorgarten erwischen mit "Händen und Füßen" weiter. Sie schicken uns zum Bahnhof. Dort ist das Restaurant "Tradition". Es ist ein kleines Lokal, wo vor allem Einheimische auf Vorbestellung nur am Abend ihr Essen bekommen. Die Wirtin spricht ein wenig Deutsch, springt über ihren Schatten und kreiert ein "vegetarisches Gericht" extra für uns! Pommes mit Nudeln und Karottensalat. Zur Rettung ein Glas Bordeaux. Mit Baguette und Käse natürlich!

"Sag nur ein Wort..." - das Kirchlein von Diou
Nach dem Essen habe ich noch einen Anfall von Kreativität und begebe mich auf den Parkplatz hinter dem Campingplatz und beginne - die abendliche Ruhe des Ortes genießend - das Kirchlein aus der Ferne zu skizzieren. Während ich so dasitze und zeichne, rücken zwei Frauen frontal in mein Blickfeld, eine junge mit einer älteren, schlendern langsam plauderd über den Platz, sie halten direkt auf mich zu, bleiben 3 Meter vor mir stehen und die Ältere bittet auf Französisch um Auskunft. Ich verstehe nichts, die Jüngere deutet auf die Kirche und fragt weiter. Nach einigem Hin und Her versuche ich zu erraten, ob sie die Gottesdienste meinen und irgend etwas mit dem Glockenläuten?

Donnerstag, 5. Juli 2012

Vom wilden Platz bei km 330 bis Digoin

In der Nacht machte der Fluss gurgelnde Geräusche, ferne Gewitter ließen ahnen warum. Der Morgen ist trocken, aber nebelig. Die Loire ist um einige cm gestiegen, unsere Schotterbank vom "Festland" getrennt. Dieser wilde Platz gibt neue Energie, wir freuen uns, dass es beim Frühstück nicht regnet, kommen trocken aufs Wasser. Die Stimmung bleibt gut, auch als es dann regnet, durch die südliche Lage bleibt es warm.

Kanalbrücke vor Digoin

Die zügige Strömung überspült alle Schotterbänke und sonstige Hindernisse, vor denen im Flussführer gewarnt wird. So genießen wir die weiten Mäander der naturbelassenen Loire. Langsam stellt sich der Blick und die restlichen Sinne auf ihre Schönheit ein.
Digoin in Sicht. Die Brücke bei km 348 ist ein Aquädukt des Canal-du-Centre. Träge gleiten Motorjachten darüber. Darunter ein Naturwehr. Wir halten uns an den DKV-Rat, die Durchfahrt ganz links zu besichtigen. Die verwinkelten Strömungsverhältnisse vor den Pfeilern legen mit vollen Booten das Treideln nahe. Der letzte Schwall lässt sich dann paddelnd nehmen. Die Beschreibungen der 3. Auflage aus 2004 decken sich nicht mehr ganz mit den örtlichen Gegebenheiten, aber grundsätzlich ist das Buch eine wertvolle Hilfe.

An der Rampe ( ein wenig unterhalb, re Ufer) zum Campingplatz Digoin ein junges deutsches Paddlerpärchen. Knapper Gruß. Ein eher schmächtiger Typ steht rauchend da und meditiert das Schlauchboot seiner gut bestallten Freundin an, sie packt lethargisch hier hin, da hin, studiert versunken die Trimmung. Wollen die heute noch weg? Am Platz oben einige weitere deutsche Paddler. Einer hängt stundenlang an seinem Seekajak. Schraubt, fädelt, studiert. Andere umtänzeln geschäftig ihre BMW und Bootsanhänger und nach einiger Präsenz verschwinden sie plötzlich wieder. Nichts ist dabei selbsterklärend, doch im Lauf der Zeit wird sich schon herausstellen, wie die Leute an der Loire so ticken.


18,40€ zu Dritt bei guten sanitären Anlagen, stellen gerade noch trocken auf und dann regnet es, den ganzen Weg in und durch die Stadt, auf der Kanalbrücke. Wieder scheinen sämtliche Restaurants geschlossen zu sein, aber wir sind schon froh über den Spar-Markt. Der Regen nimmt die Lust auf ausgedehnte Besichtigungen und zurück im Zelt verwöhnen wir uns mit einem Fertig-Nudelgericht samt Wein, Brot, Käse, Schokolade... 

Mittwoch, 4. Juli 2012

Von Pouilly bis ca. Bonnaud

Noch ungeübt mit dem neuen Zelt und etwas aus der  Routine gekommen mit dem effektiven Packen, Schlichten, Kramen und Verstauen, kommen wir spät vom Platz. Am Parkplatz des Supermarché sticht die Sonne, wo wir atmosphärisch gereizt kulinarischen Ballast anhäufen, mit der Aussicht, auch an diesem Tag nirgendwo sonst zu Essen zu kommen. Es wird Gewitter geben.
An der Loire-Brücke haben wir am Vortag den Einstieg erkundet. Wir bringen die Boote, einen Prion 2er Kanadier und ein kleiner Wander-Einer mit dem Auto hin, da ich mich auf kein Sornin-Abenteuer einlassen wollte.  Allerdings müssen sie am Gelände vor der Brücke vom Autodach und auf den Bootswagen, da eine hohe Schrankenkonstruktion die Zufahrt  versperrt, wahrscheinlich gegen Camper-Mobile gedacht. Das Auto bringe ich zum Campingplatz und komme zu Fuß wieder.


Die Aussicht auf die Loire ist wunderschön. Himmel und leuchtende Grüntöne spiegeln sich im glitzernd dahin fließenden Wasser. Es ist hoch, das Flussbett satt gefüllt. Fast Hochwasser.  Wie immer habe ich ein mulmiges Gefühl, wenn ich an das Auto denke, das nun hinter einem hüfthohen Dämmchen im Einzugsbereich des harmlos wirkenden Sornin vor der Campingwiese steht, der Motor leicht bergab. Im Geiste sehe ich die Vorderräder in schlammigen Fluten verschwinden, wenn in unserer Klimaerwärmungszeit eine Gewitterzellen ihre 100 l/m² genau über dem Tal ablädt und der angeschwollene Sornin  in der Biegung vom Camping Municipal bei unserem Parkplatz seinen Prallhang findet. Was soll's, es ist das Risiko, mit dem wir leben.

Es ist heiß und schwül und verdächtige Wolken kochen sich etwas. Suche vergeblich nach der Kilometrierung, die den DKV-Flussführer erst richtig brauchbar macht. Flusskarte hab ich wieder keine dabei, nur einen selbstgebastelten Trekbuddy-Loire-Atlas auf dem wasserfesten Smartfon, eher als Zusatz, Spielerei. GPS frisst zu viel Akku-Strom, das Gerät müsste bei Dauerbetrieb täglich aufgeladen werden. Und stundenlang zum Aufladen im Hygienebereich Steckdosen bewachen, tolle Abendbeschäftigung... Also aus dem Standby-Betrieb heraus ohne GPS die digitale Karte ergänzend mit dem Flussführer benutzen, stellt sich als erstaunlich stromsparend heraus und funktioniert bald recht gut. Eine handfeste Orientierung bilden zudem die Brücken.

Ab 16.00 wird es ernst. Mehrere Gewitter rücken heran. Das Wetter läuft hier nicht entlang des Flusses, wie ich es z.B. bei der Donau gewohnt bin, sondern quert von West nach Ost die hier nach Norden fließende Loire. Mit ein wenig Glück wird man nicht immer voll von einer Front erwischt, das Wetter hat hier sehr viel Platz. Aber nun ist hinter uns alles schwarz. Kühler Wind kommt auf. Hagelkanonen unterstreichen die Dramatik giftiger Wolken. Ich beobachte die fernen Wolkenbrüche im Süden und denke an den lächerlich kleinen Sornin mit dem hilflosen Auto, das ich dummerweise gerade heute dort  hingestellt habe. Und jetzt erreicht die schwarze Wand auch uns. Blitze, natürlicher und künstlicher Donner. Wenigstens schießen sie den Hagel zu Brösel. Wir müssen sofort aus dem Wasser, aber die Viehweiden am Ufer bieten keinen Schutz, einsame Bäume schon gar nicht. Ich sehe einen Ausstieg, eine schützende Böschung unweit einer Baumgruppe. Die Bäume könnten als Blitzableiter dienen. Ein Risiko bleibt immer. Schnell ziehe ich den Zeltboden über uns und dann geht der Sturm los. Das fängt ja schon mal gut an.


Wir bleiben halbwegs trocken und blicken nervös in das Geschehen, da ziehen zwei Paddler, wirken wie dunkle, eigenartige Gesellen, an uns vorbei. Die haben wirklich Nerven, oder kennen einfach die Gegend sehr gut.


Bald geht es weiter, leichter Regen. Es wird Zeit einen Zeltplatz zu finden. Wenn man finden muss, dann gibt es so schnell keinen schönen und wenn endlich, dann mit Schreckschussanlage.


Die Ufer sind steil und oben Kühe. Strände sind überspült, in der Nacht muss man steigendes Wasser einkalkulieren.
Endlich finden wir vor Bonnaud, (ca. km 330, wer's braucht) eine bewachsene Schotterbank, die hoch und groß genug erscheint.
Feuer, Rotwein, Nudelsuppe.





Dienstag, 3. Juli 2012

Anfahrt nach Pouilly sous Charlieu

Guten Morgen Nieselregen! Trotzdem stecken wir mit Vorfreude die Nase aus dem Zelt in die feuchte Luft. Gestern hat uns ein Abschneider über die Lutherstadt Eisleben, Kassel und Frankfurt, nach Neuenburg am Rhein gebracht, wo wir auf einem Campingplatz nächtigen konnten. Über den nahen Rhein und die im Graben versteckte Autobahn weht französische Luft. Neuland erwartet uns.

Wir nutzen das geheizte Schwimmbad gratis zur morgendlichen Erfrischung und der graue Himmel wirkt beim Frühstück schon etwas freundlicher. Sicher scheint bald wieder die Sonne!

Wir queren Richtung Molhouse den Rhein und stellen uns auf den langen Autobahnstrecken auf teils teure Mautgebühren ein. Was uns Frankreich- und Mautstellenneulinge mehr irritiert, sind anfangs die Automaten. Sämtliche Anweisungen nur in Landessprache, Karte oder Bargeld? Wie viel? Hupen. Ich blöder Ausländer halte alles auf. Drücke einfach irgendwo, ein Ticket erscheint, Schranken öffnet, wir spurten los. Erst am Ende zahlen? Es wird noch ein paar Mautstellen dauern, bis wir uns auskennen. Für diesen Tag kommen so ca. 30 Euro zusammen.

Die Landschaft wirkt anders. Es fällt auf, dass die Franzosen gelassener mit der Natur umgehen. Die Stauden drängen über die Asphaltkanten, bewaldete Hügel ohne Einschlagspuren? Das Band der A36 schneidet durch Felsen, hebt den Blick in die Ferne. Anflüge erster Begeisterung. Erste Autobahntoilette. Das Pissoir duscht kräftig parfümiert meinen armen Hydranten. Es ist alles ein wenig salopper hier.

Richtung Rouanne stimmt. Wetter und Landschaft werden zunehmend schöner. Endlich kommen wir zum Loire-Tal, bestaunen die in der Nachmittagssonne aufblitzenden Flussbiegungen. Wir haben es nicht megaeilig, da wir erst morgen auf das Wasser wollen und bald haben wir uns durch einige kleine Orte entlang der Loire bis Pouilly voran getastet. Der "Camping municipal" ist an der Ortseinfahrt von Norden kommend gut sichtbar beschildert, links ab, am Sportplatz vorbei, endlich da. 

Das Schulfranzösisch unseres Juniors erfährt den ersten Stresstest. Wir behelfen uns mit Händen, Füßen, Bauchintuition. Aber die zuständige Madame hat ausreichend Routine mit Paddlern jeglicher Herkunft, den hier ist ein traditioneller Startplatz mit Abstellmöglichkeit für den PKW. Es ist kein Problem ihn bis zum Ende Tour hier stehen zu lassen.  

Es ist Nachmittag und heiß geworden. Mit unserem Lavvo-Tipi verkriechen wir uns in den Schatten einer ausladenden Baumkrone und stapfen dann mit richtig viel Kohldampf zuerst zur Loire und dann in den Ort, voll Vorfreude auf die französische Cuisine. Wir Ahnungslose! Es gibt in ganz Pouilly kein einziges offenes Restaurant, dafür viel Staub und Schwerverkehr. Alles geschlossen. Ja sind denn die wahnsinnig? Hat hier niemand Hunger? Will hier niemand am helllichten Tag mit Gastronomie Geld verdienen? Frustriert geben wir nach unlustigen Kilometern die Suche auf und stärken uns mit dem Proviant am Campingplatz. Unser Französisch wäre auch zu schlecht, als dass wir diffizile Fragen mit Einheimischen erörtern könnten. Wir werden schon drauf kommen, wie man hier zu Essen kommt.
Blick auf die Villen von Poilly sous Charlieu