Fulda - Weser und Loire

Freitag, 8. Juli 2011

Von Beverungen bis Polle

Weser 8. Tag

Abziehende Regenwolken am Morgen lassen auf einen schönen Tag hoffen.

Gegen Morgen regnet es noch leicht. Doch dann folgt die ersehnte Stille auf der Zeltplane. Wir lassen uns mit dem Aufbruch Zeit, damit das Zelt trocken abgebaut werden kann. Während wir frühstücken, sind die "gelben Paddler" gerade dabei ihre Sachen in die Kajaks zu verstauen. Irgendwann sind sie dann verschwunden.
Es stellt sich für uns langsam die Frage, wie weit wir eigentlich kommen wollen. Ich hatte angangs keine Vorstellung, welchen Flussabschnitt man bei unhektischer Gangart in zwei bis drei Wochen schafft, die Oberweser bis Porta Westfalica, das war so ein Anhaltspunkt. Bei der Tourenvorbereitung hatte ich  keine zusammenhängende Flussbeschreibung im Internet gefunden, so sind wir mehr oder weniger ins Blaue gefahren. Es gibt auf der Strecke viele Campingplätze und von fast überall eine Bahnverbindung. Aussteigen ist also kein Problem. Doch langsam lässt sich abschätzen, wie weit wir mit der restlichen uns zur Verfügung stehenden Zeit noch kommen könnten. Herr Sauerwein vom Kanuklub in Hersfeld hatte auf meine naive Frage, ob man eigentlich bis Bremen kommt, geantwortet: "Ja, wenn man genug Geduld hat, dann schon." Mit Zeitreserven rechnen wir hoch und kommen bis ... Bremen! Wir haben nun ein konkretes Ziel vor Augen.

Ein Hoch aus Südwesten zerfranst das Tief aus Nordwesten

Um halb elf auf dem Wasser. Herrliches Wetter, grandiose Wolken, gute Strömung, die 27 km bis Holzminden ziehen im Nu dahin, eine Biegung schöner als die andere.

Blankenau mit Herrensitz km 57,4
Pferde, Rinderherden am Wasser, Wald, Hügel, Natur wie aus deutschen Märchen.  

Weserrenaissance-Schloss Fürstenberg km 62,5

Fürstenberg, Eulenkrug, Höxter km 68,0 mit der berühmten Benediktiner-Abtei Corvey. Wir treffen am Wasser ein gut gelauntes Paar im Kanadier, sie gehen die Tour ganz locker an,  sehr sympathisch,  plaudern gleich  vom Bootsrand weg.  Es ist jetzt mehr los am Fluss. Ein kauziger Veteran im Einer-Kajak überholt uns, dazu Ausflugs-Schiffe, denen man in den Biegungen gut nachkommt und die uns zum hemmungslosen Wellen surfen verleiten.

Holzminden km 80,2

Am Steg des Kanuclub in Holzminden sehen wir den Veteran wieder, bis hier her hatte ich die Tagesetappe geplant, aber es ist viel zu früh. Trotzdem steige ich aus, rede ein paar Worte, aber wir beschließen weiter zu fahren.
 
Ab und zu werden wir von Rindern beäugt.
Die Zeit ist im Fluss. Wir studieren ab und zu die Karte und die Beschreibungen der Sehenswürdigkeiten. Doch im Nachhinein wurmt es mich gewaltig, dass wir in Höxter die Benediktiner-Abtei Corvey zwar flüchtig gesehen aber nicht besichtigt haben. Ein Gespräch hat mich abgelenkt, so dass wir daran vorbei gefahren sind. Nicht einmal ein Foto habe ich zur Erinnerung.

Polle mit Fähre und Ruine
Nach diesem kleinen Wermutstropfens bringt uns der idyllische Anblick von Polle km 92,2 wieder in schöne Nachmittagsstimmung. Der Campingplatz "Weserterrasse" macht sofort einen guten Eindruck, am Weg zur Anmeldung komme ich an den „Gelben Paddlern“ vorbei, die vor einer Mauer in der Sonne sitzen und essen. Auch diesmal erzeugt mein freundliches „Hallo“ absolut keine Reaktion. Zu viert starren sie mit sauerem Gesicht und stumm kauend auf die Weser. Es bleibt zu hoffen, dass sie kein größeres Problem haben. Dafür freue ich mich umso mehr über die geradlinige, herzliche Plauderei mit dem Besitzer des Platzes.
Wir gönnen uns die gute Küche im Gasthof zur Burg (Gemüseauflauf, Matjes, Pommes) und machen uns dann an die Besichtigung des Dorfes. Auch hier dominiert Fachwerk die den Berg hinaufführenden Gassen, an den Außenwänden zeigen die durchlöcherten Schießscheiben den Stolz der Schützenköniginnen und Könige .

Oh Brevörde, du Sekundenheimat meiner Dichterseele...

Die obere Grenze des Dorfes führt direkt in den Wald. Spontan wandern wir los, halten uns jedoch an den breiten Waldweg, denn nicht allzu fern hallen vereinzelt die Schüsse eines Jägers. Am Gipfel des Eckberges gelangen wir bei einem Sender zu einer kleinen Lichtung, die den Blick in das Tal freigibt. Der Ausblick in das Wesertal ist von  besonderem Liebreiz. Ein Dörflein schmiegt sich zwischen die Hügel am Flussufer. Ein poetischer Strahl dringt still in mein Herz, erweckt den Quell klangvoller Worte:
Du Wehherz Heim wie liegst du stille
Vollführst in Schönheit Gottes Wille
Am Flusses Ufer samt schön und gut
In sonn'vergold'ter Abendglut

Und strebst du hin in weite Ferne
Wo Leben, Freiheit,  Licht dich locken
Kehrst du zurück ganz gerne  
Um in deinem Dorf zu hocken


Blick von der Burgruine Polle auf den Weserbogen und die Fähre
Nach der Wanderung wollen wir noch die Ruine erforschen. Das Gelände unter dem Turm wird zeitweilig für ein Freilichttheater genutzt, der Eingang ist im Moment gesperrt. Wir finden seitlich einen weiteren Pfad, der zu einem mit einer Schnur verknoteten Eisentor führt. Die Schnur lässt sich leicht aufbinden und schon sind wir im "verbotenen Bereich." Hinter dem Bergfried stößt man auf Spuren von Ausgrabungen mit Tafeln, welche Funde und geschichtliche Zusammenhänge dokumentieren. Zusaetzlich werden wir von einem grandiosen Blick auf die Flussbiegung belohnt.

Eversteiner Burg bei Polle

Bereichert beenden wir unsere Runde durch den abgesperrten Bereich der Burg und knoten hinter uns das Eisentor wieder zu.


Zurück am Campingplatz kann ich mich noch zu ein paar Skizzen aufraffen, vor uns repariert ein grotesk aussehender Motorbootmechaniker für einen Kunden einen riesigen Außenbordmotor an der Rampe zum Fluss. Bart und Physiognomie bilden eine Kombination, die heute schon sehr selten ist. Der Mechaniker ist dauernd in Bewegung und daher schwer einzufangen.


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