Fulda - Weser und Loire

Freitag, 1. Juli 2011

Einstieg an der Fulda im KWH km 12,8

Fulda 1. Tag

In der Früh ist uns das Wetter gnädig. Der Regen hört auf, es werden vereinzelt blaue Flecken sichtbar. Der Platzwart Klaus-Peter Sauerwein schaut wieder vorbei und gibt uns einige Tipps für die erste Etappe.

 
Bewegter Himmel über Bad Hersfeld

Eine Nachlässigkeit habe ich bewusst begangen, nämlich im Vorfeld weder Flussführer noch Karte besorgt, in der Annahme, dass es diese vor Ort gibt. Das stellt sich als Irrtum heraus. Überall gibt es Radwanderkarten, aber für den Wassersport nichts. Die vielen Kanutourenanbieter im Internet suggerierten, dass es hier von Kanutouristen nur so wimmelt, dass die Infrastruktur in dieser Hinsicht sehr ausgebaut ist und das Gedränge am Fluss kaum auszuhalten. "Tausende Paddler fahren jährlich die Fulda und Weser hinunter", so ein Satz blieb von meiner Internet-Recherche im Gedächtnis haften. 

 
Stadtkirche Bad Hersfeld

 Im Moment nichts von alldem. Der Regen hat alle potenziellen Bootstouristen offensichtlich umbuchen lassen. Keine Karten und  nur wenige Paddler. Der DKV-Flussführer von 1991 von Sauerwein enthält zwar viele brauchbare Informationen, aber gewisse Dinge ändern sich im Lauf von 20 Jahren. Als Ergänzung kaufe ich daher in einem Buchladen eine Karte vom Fulda-Radweg,  auf der der Fluss ebenfalls gut dargestellt wird. Eine Karte für die Weser werden wir in Kassel suchen.  

1. Etappe nach Rotenburg, guter Wasserstand

Wir verstauen die letzten Sachen, stellen das Auto hinter einen Busch und verabschieden uns von Herrn Sauerwein, der uns einen schönen Paddlersegen mitgibt:
"Ich wünsche euch, dass ihr unterwegs viele herzliche Menschen trefft!" 

Dann geht es mit dem Bootswagen über die Wiese hinunter zum Steg, der wiederum von Schafen eingekreist wird. Beim Herannahen pfeift der Hirte seinem Hund, und die Schafe werden umgehend vom diesem lustigen Gesellen in angrenzendes Buschwerk getrieben. 
Endlich am Wasser, es steht wie in einem Teich, kein Wunder, gleich zwei Wehren stauen hier die Fulda und die Einsatzstelle an der zweiten empfinden wir als Zumutung. Mit einem voll beladenen Kanadier bedeutet die steile Betontreppe das komplette Aus- und Einladen der Ausrüstung.
Irgendwie sinnlos, tausende Paddler müssen sich hier über Jahre sinnlos abquälen. Na gut, gehört zum Sport, einige Radfahrer bleiben stehen und einer gibt uns Tipps, wie und wo Bootsverleiher über diese Wehr kommen. Wir sind dann froh, wieder am Wasser zu sein. 
Ab hier haben wir ca. 10 km freie Fließstrecke bis zur Wehr in Mecklar bei km 1,3, also in abnehmender Zählweise. Nach Mecklar ist Kilometer 0, hier beginnt auf der Bundeswasserstraße die Kilometrierung stromabwärts.
Plastikfetzen und Treibholz hängen hoch über unsern Köpfen im Uferbewuchs, Anzeichen des letzten Hochwassers. Immer wieder tauchen flussseitig idyllisch gelegene Dörfer auf, schwarz beschieferte Kirchtürme glänzen eigentümlich in der Sonne. Hier könnte - müsste - man überall stehen bleiben und einen Rundgang machen. Aber beim ersten Mal wird zwangsläufig viel ausgelassen. Die Landschaft ist herrlich, die parallel laufenden Verkehrswege  bei weitem nicht so störend wie beschrieben. 

Ein Paradies für Vogelfreunde, herzhaftes Zwitschern und Gesang auf der ganzen Strecke

Nach und nach umfängt uns die Ruhe in den intimeren Bereichen des jungen Flüsschen, freuen uns auf die bevorstehenden Auto- Internet- und Telefonlosen Wochen, mit einem einfachen Ziel, Eindrücke auf dem Wasserweg nach Norden zu sammeln, die Orte und ihre Anwohner zu erleben. 

Enttäuscht lassen wir Rotenburg hinter uns, vor uns eine Fahrt ins Ungewisse.

Davon haben wir erstmals in Rotenburg die Gelegenheit. Die Schlepperei der Ausrüstung an den Wehren, die Stufen, manche umständliche Stege, bootswagenuntaugliche Betonkanten usw., haben uns mit all den anderen Eindrücken mehr ermüdet als das Paddeln an sich. Daher freuen wir uns schon auf die erste Rast am Campingplatz in Rotenburg, km 11,3 auf der rechten Seite. Doch schon von Weitem schwant uns, dass wir dort keine ruhige Nacht verbringen würden. Neben dem Campingplatz ist ein Volksfest mit Rummelplatz, der Lärm unbeschreiblich. Wir versuchen nicht einmal anzulegen. Doch gleich danach entdecke ich auf der linken Seite den Rotenburger Ruderverein. Der Lärm hält sich hier in Grenzen und es gibt ein Klubhaus mit Wiese. Es sind einige Leute anwesend, darunter ein etwas dicklicher Herr mit Schnauzer, der in gebückter Haltung bedächtig den Vereinssteg von Unkraut säubert. Wir legen an und höflich frage ich nach einer alternativen Zeltmöglichkeit, da der obere Platz von einem Volksfest belegt ist. Ja das ist laut dort, meint er kopfschüttelnd, "aber der Platz hier ist nur offen für Rückwärtsfahrer, hier gibt es nirgends etwas" gibt er schlecht gelaunt Auskunft und kratzt weiter am Steg. "Ja wo ist denn der nächste Kanuklub oder Zeltplatz?"  Seine  Gesichtsausdruck zeigt deutlich, dass wir ihm lästig sind. Er will uns los werden. "Melsungen, 30 km, aber ab dem Wehr Strömung, das schafft man doch".
Es ist gegen 18 Uhr und nun sollen wir 30 km in die Nacht hinein durch ein Naturschutzgebiet schaufeln? Das hätten wir uns so gerne für den nächsten Tag aufgehoben! Noch dazu zeigen sich am nordwestlichen Horizont dicke Regenwolken, welche dem abendlichen Sonnenschein bald ein Ende setzen werden. Doch mein Stolz ist stärker als die Verzweiflung.  Ich erwidere das süffisante Lächeln mit einem Danke und wir legen ab. Ein weiteres Problem sind die Naturschutzgebiete. In ihnen ist Kampieren streng verboten. Wohin also, in ein Hotel hier? Nein, einfach weiter.
Was für ein ungastlicher Mensch, der eine Paddlerfamilie am Abend in eine Regenfront schickt! Diese Begegnung bringt aber den Entschluss hervor ein Fahrtenbuch anzulegen! Ohne diesem unsympathischen Kerl stünden diese Zeilen nicht hier.
Gleich darauf dürfen wir unsere Emotionen bei km 12,3 an einer weiteren Wehranlage abarbeiten, wo Betonstufen und unwegsames Pflaster die natürlichen Hindernissen ergänzen. 
Ich bin ein großer Fan von Fachwerkbauten, gern hätte ich hier einen Abendspaziergang gemacht!  So bleiben nur ein paar Fotos vom Boot aus.

Mit der Strömung geht es jetzt wirklich zügig dahin und ich versuche mit Radkarte und altem DKV-Flussführer eine schnelle Lösung azu finden. Da ist ein Lichblick! Das Wehr Neumorschen bei km 26,5, also noch deutlich vor Melsungen! Ein Wehr hat doch normalerweise ein Betriebsgelände, da ergibt sich vielleicht ein Notplatz! 

Die historische Wehranlage Neumorschen im letzten Abendlicht

Wir haben Glück. Hinter der in Renovierung befindlichen Schleusenkammer befindet sich eine ebene Grasfläche, sogar mit alter Feuerstelle. Kein regulärer Biwak-Platz, eventuell regt sich jemand auf, aber sicher ist es kein so schweres Delikt wie das frivole Zelten im Naturschutzgebiet, was mit unangenehmen Strafen verbunden sein könnte, auch richtig, wenn das tausende Paddler so machen würden...

An der rauschenden Wehr zelebrieren wir im Zelt ein wohliges Abendessen. Draußen schützen uns Dunkelheit und kalter Regen vor Blicken und eventuellen Störungen. Niemand interessiert sich bei diesem Wetter für ein Zelt am alten Wehr an der Fulda.





 

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