Wie schön muss diese Flusslandschaft erst bei Sonnenschein sein!
Die belebte Natur balzt, singt, fliegt, läuft, schwimmt und taucht mit vollem Elan, vier junge Schwäne mit Eltern und sonstige Taucher, Enten und Singvögel im Buschwerk lassen unter Regenwolken die Sonne im Inneren lachen. Doch schon bald erscheint der Bootssteg des WSV Melsungen, der Platz ist menschenleer. Einem Info-Kasten entnehme ich Telefonnummern zur Kontaktaufnahme und schon beim ersten Versuch meldet sich der Vorsitzende Müller am Handy. „Wie viele seid Ihr? Leihkanadier? Wenn nicht, dann könnt ihr gerne bleiben. Bin derzeit beruflich unterwegs, aber der Herr im Wohnwagen am Parkplatz hinten wird euch alles zeigen. Herzlich Willkommen.“
Achtung Wehr! Lebensgefahr hat hier tiefere Bedeutung. Das erfahren wir erst kurz vor der Abfahrt am nächsten Tag.
Am Weg dorthin kommt uns der Platzwart schon entgegen. Wir werden sehr freundlich aufgenommen und in die Örtlichkeit eingeführt. Wir erzählen kurz unsere Erlebnisse, unsere weiteren Reisepläne. Er beschreibt uns den Weg in die Stadt über die berühmte Bartenwetzerbrücke und erklärt uns deren Geschichte:
"Im Mittelalter lebten viele Melsunger von der Waldarbeit. Am Morgen zogen sie in den Wald auf der anderen Flussseite und dabei trafen sie sich vor dem Holzschlagen auf der Brücke. Die Brüstung der der Brücke besteht aus Sandstein und auf diesen Quadern schärften, wetzten die Arbeiter in der Früh ihre Äxte, damals genannt Barten. Die Mulden in den Steinen sind bis heute noch zu sehen"
Bartenwetzer in Melsungen
Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele gut erhaltene Fachwerkhäuser auf einem Fleck gesehen zu haben. Riesengroß, mit über mehrere Stockwerke perfekt renovierten Fassaden dominieren sie alle Plätze, Straßen und Gassen der Altstadt.
Der Fassadenschmuck erzählt auch hier von Geschmack und Reichtum der damaligen Bauherren
Leider verschluckt das graue Regenwetter das herrliche Kolorit der Balken, an Gesimsen, Türmen, Erkern und Torbögen, das Verweilen fällt bei diesem Wetter genauso schwer wie das Fotografieren. Bald gießt es in Strömen und es bleibt uns nichts anderes über, als ein Lokal aufzusuchen und eine Regenpause für den Rückweg abzuwarten.
Kassier und Platzwart in ehrenamtlicher Würde
In Sichtweite des Kanuklubs gibt es einen Supermarkt und wir decken uns bequem mit dem Nötigsten ein, ohne weit schleppen zu müssen. Dazu besorge ich ein kleines Heftchen, dass fortan als Fahrtenbuch dienen soll, gerade rechtzeitig, denn der Herr Kassier ist am Platz eingetroffen. Ein stattlicher Alter mit Zigarre und Schiffermütze hat sich an der Jausenbank des Vereins ein mobiles Büro eingerichtet und wartet mit Formularen und Stempelkissen vor sich geduldig auf unser Eintreffen. Während des mit Paddlerkonversation sich hinziehenden Zahlvorganges treffen noch weitere Klubmitglieder ein, darunter die Frau des Vorstandes. Bald werden wir eingeladen, der herzlichen Runde bei Kaffee und Kuchen beizuwohnen. Unsere Schilderung der Erlebnisse des Vortages bereitet den Boden für weitere Geschichten. Aber vorher muss noch der obligate Stempel in das frisch eröffnete Fahrtenbuch. Einer der Anwesenden erzählt von Erlebnissen auf amerikanischen Gewässern und erst im Nachhinein erfahren wir, dass wir lokaler Prominenz, dem Peter Stock, Weltmeister im C 2er, Abfahrt 1971 (mit W. Spengler) das Vergnügen hatten zu plaudern.
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