Weser 12. Tag
Wie schon öfters in den letzten Tagen hat es in der Nacht leicht geregnet, doch auch am Morgen sieht das Wetter nicht gerade ermunternd aus. Dicke graue Wolken künden das seit Tagen angesagte Schlechtwetter an. Am Platz machen der Vater und seine Kinder jedoch recht gute Laune, wir spielen im Bootshaus ein Abschieds-Tischfußballmatch und plaudern dann noch lange über Boote, Ausrüstung und Familientouren. Schade, dass wir diese lieben Leute gerade einen Tag erleben konnten, jetzt wollen sie - wie die meisten Weserpaddler-, in Minden aufhören und zu ihrem Wohnort der Diemel, nicht weit von Karlshafen, heimradeln.
Am Morgen bringen Pioniere mit ihren unförmigen Landungsbooten die Weser zum Schäumen |
Die Kinder freuen sich über jede Abwechslung und wenn es nur die Belade-Aktion unserer Boote ist. |
Doch wir wollen unbedingt weiter. In 5- bis 6 Tagen sollten wir Bremen erreichen, dann ist es nicht mehr weit zur Nordsee!
Wir steuern auf das Wasserstrassenkreuz von Minden zu. |
In Minden haben wir das seltene Vergnügen, mit dem Boot unter einem Kanal hindurch zu fahren, bei der Unterquerung des Mittellandkanales km 204,9. Nach dem Wasserstraßenkreuz beginnt der Stau bis Petershagen, vorbei ist es mit dem lockeren Dahintreiben, ab jetzt ist jeder Kilometer Paddelarbeit.
Staustufe Petershagen km 214 |
Es wird zwar einigermaßen heiß und sonnig, allerdings entwickelt sich eine stechende Schwüle, die nichts Gutes verheißt, kein Zweifel, Gewitter liegt in der Luft, bleibt nur die Frage wann es los geht. Der Wind bläst am Boden stetig aus Nordost, wir haben also meist Gegenwind, doch weiterhin ziehen dunstige Wolkenbänder aus Südwest darüber hinweg, die Windrichtung der Schönwetterperiode der letzten Tage und das herannahende Tief kreuzen sich. Die flache Landschaft und das unbewaldete Ufer bieten wenig Schutz vor Wind und kaum Zufluchtsmöglichkeiten bei Unwetter.
Dazu kommt die Eintönigkeit der Staustrecken, wodurch das Gefühl der Spannung gesteigert wird. Dabei haben wir an diesem Paddeltag mit dem Wetter einigermaßen Glück. Immer wieder setzen sich die Ausläufer des Hochs gegen die herannahenden grauen Schleier durch.
Zwischen den Staustufen darf die Weser ein bisschen strömen. |
Personensolarfähre bei Windheim km 222,4 |
Das Leben am Fluss bildet nun eine Mischung aus kleineren Naturschutzgebieten, Schiffsverkehr, Fischfang, Kiesgruben und Motorbooten. Die Tendenz geht in eine vermehrte wirtschaftliche Nutzung des Flusslaufes, seine Umwandlung in ein Kanalsystem. Große Biegungen werden mit geradlinigen Kanälen abgeschnitten, Sportboote müssen dem ehemaligen, natürlichen Lauf des Flusses folgen, die Durchstiche sind ausschließlich der Schifffahrt vorbehalten. Der Umweg ist kein Nachteil, da man sich als Bootfahrer einige Kilometer in einer relativ naturbelassenen und verkehrsberuhigten Zone bewegt.
Erwartungsgemäß werden die Staustrecken im Unterlauf kontinuierlich länger und nach den Wehren reduziert sich die Strömung auf Abschnitte von zwei bis drei Kilometer.
Sogenannte Logger mit Aalhamen im Strom verankert. |
Erwartungsgemäß werden die Staustrecken im Unterlauf kontinuierlich länger und nach den Wehren reduziert sich die Strömung auf Abschnitte von zwei bis drei Kilometer.
Endlich haben wir die Stauanlage von Schlüsselburg km 236,6 erreicht. Wir halten uns links vom Staudamm, da soll es einen Fischpass und eine Übersetzungsanlage geben. Wir sehen eine Betonrampe, die von albern herumspielenden Jugendlichen belegt wird, sie machen keine Anstalten, uns Platz zu machen. Eigentlich wäre es längst Zeit, eine Pause zu machen, aber das Wetter und die Gesellschaft hier sind nicht Vertrauen erweckend. Der Himmel trübt sich zunehmend ein, dazu weht ein unguter schwüler Wind, die Sonne sticht wie kurz vor einem Gewitter, wir sind gereizt und wollen möglichst schnell weiter. Das Schleppen der Boote hält uns dabei auf, die Jugendlichen, welche uns ebenfalls behindern, hätte ich am liebsten ins Wasser geworfen. Ich komme dann mit dem schwergängigen Werksbootswagen, der natürlich weit unterhalb geparkt ist, dermaßen wütend zur Rampe zurück, dass die Jungen recht schnell Platz machen.
Kaum strömt es unterhalb der Mauer wieder ein wenig, wird die Stimmung entspannter und - sei's Einbildung oder nicht - das Wetter wieder besser. Endlich erreichen wir den Kanuklub in Stolzenau km 242,9, nach einer Tagesetappe von ca. 40 km.
Wir erreichen ein Klubmitglied unter der Nummer im Schaukasten, die Dame verweist uns an den netten Platzwart, der unweit des Klubhauses am Ortsrand von Stolzenau wohnt. Er zeigt uns wortreich das Vereinshaus aus Holz, das einsam am Ufer gelegen den eigentümlichen Standard der 1960er Jahre aufweist und den alten, gemütlichen Flair der sportlichen Elterngeneration verströmt. Das Wetter ist weiterhin windig, unsicher, aber wir bekommen die Erlaubnis, auf der vorgesehenen Feuerstelle zu grillen. Das Gelände ist von alten, hohen Pappeln umschlossen, die den Wind einigermaßen abhalten.Kaum strömt es unterhalb der Mauer wieder ein wenig, wird die Stimmung entspannter und - sei's Einbildung oder nicht - das Wetter wieder besser. Endlich erreichen wir den Kanuklub in Stolzenau km 242,9, nach einer Tagesetappe von ca. 40 km.
Doch bald wird die Idylle empfindlich gestört. Ein Junge und drei Mädchen wieder so um die 16 rauschen mit Fahrrädern heran, treten provokant und lautstark in Erscheinung. Sie springen vor unserer Nase am Steg herum, kreischen - und lassen eine Flasche kreisen. Sie versuchen sich gegenseitig ins Wasser zu werfen und machen dabei sexuelle Anspielungen. Freiheit der Jugend hin oder her, wir haben absolut keinen Bock auf solch ein Sauftheater und hoffen, dass sie bald verschwinden, aber das provokante Treiben dauert an. Ich lasse mir mit dem Duschen Zeit, aber als ich wieder auf die Veranda hinaustrete, platzt mir der Kragen. Die vier springen noch immer am rasselnden Steg, schreien und gestikulieren. Es reicht mir. Mit Handtuch und Schampoo bewaffnet steuere ich die Gruppe direkt an. Sie werden augenblicklich still. Ganz so standfest scheinen sie also nicht zu sein. Ich stehe vor ihnen am Steg, spiele den Chef und sehe mit innerer Erleichterung, dass es durchgeht. „Seid ihr vom Klub? Wer von euch ist Mitglied?“ Sie starren mich an wie einen knurrenden Wolf im Wald.
„Die zwei.“ schieben die einen die Verantwortung auf die anderen. Eine von den "Mitgliedern" steht betreten mit einer Flasche Alkoholika da. „Aha, saufen. Saufen statt Paddeln, das ist ja ursuper.“ sage ich in gedehnter Verachtung. Sie blicken betreten zu Boden, ich drehe mich um und gehe.
Es hat gewirkt. „Wir sind gleich weg“ ruft mir der Junge nach. Tatsächlich ist der Spuk nach 10 Minuten vorbei, sie verdrücken sich und wir haben wieder unsere Ruhe und gönnen uns am Lagerfeuer ein leckeres Abendmahl vom Grill, während der polnische Frachtkahn Szceczin das x-te Mal eine Ladung Sand die Weser hochfährt.Die saufenden Jugendlichen geben uns zu denken. Das zieht sich schon seit Tagen so dahin.
Wirtschaftsgebäude am gegenüber liegenden Ufer |
In der Nacht Blitze, schwerer Donner in der Ferne. Starker Wind kommt auf, jetzt naht das Gewitter. In den letzten Jahren hatten wir schwere Unwetter an diversen Flüssen im Zelt erlebt. Obwohl wir von hohen Bäumen umschlossen sind, empfinde ich den Standort als wenig blitzsicher. Wir verziehen uns in das Klubhaus, obwohl ich weiß, dass es eine rein psychologische Lösung ist, da das Haus ebenfalls keinen Blitzschutz besitzt. Wir dösen eine Weile auf den harten Tischen und Bänken, bis sich das Gewitter verzogen hat. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt ist, kehren wir wieder in unser Zelt zurück und versinken in erholsamen Schlaf.
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