Fulda - Weser und Loire

Dienstag, 5. Juli 2011

Von Kassel bis Hannoversch Münden

Fulda 5. Tag

Wehranlage unterhalb Kassel
Bei relativ gutem Wetter und in der Vorfreude auf den als besonders schön beschriebenen Abschnitt nach Hann. Münden genießen wir einen letzten Blick auf die Stadt vom Fluss aus und karren anschließend unsere Boote mit dem werkseigenen Übersetzungswagen über die Wehranlage bei km 81,3.  Im neuen DKV-Flussführer wird vor Sog und Walzen gewarnt, auch, dass man den Wagen nach Gebrauch zurückbringen soll. Wir denken an Horsts Unfall an dieser Stelle, aber heute fließt kaum Wasser über das Wehr und die Situation wirkt verhältnismäßig  harmlos. Die Schwimmwesten haben wir trotzdem angelegt.

Bald gelangen wir zum Niestetal wo wir die ersten Motorboote, unsere "Freunde" verankert sehen und auch das Ausflugsschiff Wilhelmshausen zeigt an, dass ab jetzt mit mehr Verkehr am Wasser gerechnet werden muss. Als Gegengewicht wird auf diesem Abschnitt der Naturschutzgegdanke forciert, besonders entlang dreier Inseln (Ralleninsel) bei Kragenhof wird offenbar heikel auf die Befahrungsregeln bestanden. Es reizt nämlich dort die Innenbiegung zwischen Inseln und Ufer zu nehmen, was jedoch verboten ist. 

So wunderschön die Natur des Naturpark Münden auch sein mag, für unseren Junior kann das stundenlange Dahinpaddeln sehr langweilig werden. Dafür gibt es jedoch ein wirksames Rezept: Geschichten vergangener Bootsabenteuer aus Kindheit und Jugend erzählen! Evergreens sind die zahlreichen Episoden von einer Donaufahrt nach Belgrad hinter dem Eisernen Vorhang in den 1970er Jahren.
Als damals 11jähriger legte ich mit meinen Eltern und zwei weiteren Bekannten von Österreich kommend annähernd 1000 Kilometer unter Umständen zurück, die heutzutage an Nordkorea denken lassen: Verarmte Fischer, Bauern und Hirten, Nahrungs- und Trinkwassermangel, geplünderte Zelte, dauernde Kontrollen und sogar Festnahmen mit dem obligatorischen Blick in die Läufe der Kalaschnikows. Es sind Anekdoten wie die vom russischen Offizier, der meinem Vater verständlich machte, dass ich auf dem Wasser ein paar Sprints hinlegen sollte, vielleicht um zu beweisen, dass wir Paddler und keine Spione oder Menschenschmuggler sind, was ich nach Kräften befolgte. Mit einem anerkennenden Lächeln rückte der Offizier endlich die Pässe mitsamt dem Papierkram heraus, und meinte schulterklopfend: "Guter Vater, guter Vater!" Diese skurrilen Geschichten setzen wieder Brennstoff für viele Kilometer frei.

Bootsgasse der Staustufe Wilhelmshausen
An der Staustufe Wahnhausen km 93,5 existiert an der linken Seite eine Selbstbedienungs-Schleuse. Dort liegt schon ein Motorboot, eine Familie macht Picknick am Kai. Der Mann springt auf und mit einer Getränkedose in der Hand macht er sich locker plaudernd extra für uns an die Bedienung der Schleuse. Es gibt doch sehr paddlerfreundliche Freizeitkapitäne. Vielleicht ist er auch von der wuchtigen Anlage fasziniert, die er nun in Bewegung setzt. Die Schleusentore werden hier vertikal geöffnet und geschlossen.
Ein wenig weiter bringt die Bootsrutsche von Wilhelmshausen km 101,4 willkommene Abwechslung. Per Knopfdruck wird eine Klappe gesenkt und es schießt ein Rinnsal einen schmalen Kanal hinunter. Sicherheitshalber machen wir zur Anschauung zuerst eine "Probespülung". Es sieht nach einem harmlosen Vergnügen für ein geschlossenes Boot aus, den voll beladenen Kanadier bringe ich lieber solo hinunter, da es am Ende solcher Bootsgassen gewöhnlich einen schwer abschätzbaren Schwall gibt, den man besser mit einem entlasteten Bug nehmen sollte. Die Abfahrt ist hier auf dem Video zu sehen:



Auch die letzten Kilometer sind ein Kinderspiel, besonders da an diesem Tag das Wetter mitspielt. Früh genug, um noch etwas von der Drei-Flüsse-Stadt Hann. Münden zu sehen, kommen wir bei km 107,5 am Mündner Kanuklub an, wo wir ohne Probleme zelten können. 

Wieder allein am Platz. Seit Beginn dieser Tour haben wir keine Wanderbootfahrer auf der Fulda getroffen.
Der Fluss ist voll mit trainierenden Kindern, die den Trainer am Ufer auf Trab halten, alles hier ist lebendig und leicht chaotisch, aber insgesamt sehr nett. Duschen, kurz entspannen, auf zur Besichtigung von Münden! Eine eilige Sportkollegin meint recht schnippisch auf meine im Vorbeigehen an sie gerichtete Frage, ob es diesen Weg entlang hinaus und zur Stadt gehe: "Na klar, genau so wie sie ja auch rein gekommen sind."
Es gibt überall die Herzlichen und die Unherzlichen. Auf dieser Tour kristallisiert sich das zu einem Hauptmotto heraus.

Wir gehen durch Gartenanlagen der Stadt zu, erfragen noch vor Ladenschluss ein Lebensmittelgeschäft und streifen nach dem Einkauf erstaunt durch das historische Zentrum. Fachwerk so weit das Auge reicht. 

Die Statue des Dr. Eisenbarth an seinem Sterbehaus

Natürlich zieht es uns zur Alten Werrabrücke und dann zum Weserstein mit dem bekannten Spruch am Zusammenfluss von Fulda und Werra, ab hier zur Weser vereint.

Das Gedicht am Weserstein

Auf Dauer ist es lästig, mit dem schweren Proviantpaket in der Stadt herum zu laufen, daher wollen wir es zum Zeltplatz bringen und von der Last befreit den Rundgang fortsetzen. 
Das Welfenschloss von der Alten Werrabrücke aus gesehen.
Wieder zurück im Zentrum zieht uns das im zarten Abendlicht leuchtende Welfenschloss im Stil der Weserrenaissance magisch an. Leider ist das Stadtmuseum zu dieser Stunde bereits geschlossen. Wie ein wissbegieriger Wolf umkreise ich die Welfenarchitektur und versuche anhand der Repräsentation vergangener Macht die Geschichte dieses Ortes zu erspüren. Doch bald werden wir ebenso von der Gegenwart gefesselt, diesmal im negativen Sinn. Unweit vom Schloss sitzen Jugendliche in kleinen Grüppchen und besaufen sich öffentlich.
 
Viel Betrieb im Gastgarten vor dem Historischen Rathaus
Besonders stechen stark geschminkte angetrunkene Mädchen ins Auge, die paarweise auf Steinstufen sitzen, mit einem haarsträubenden Vorrat an halbleeren und vollen Schnapsflaschen vor sich. Wir suchen schnell das Weite. 
Dr Eisenbarths Grab an der Aegidienkirche
 Eine Runde muss sich noch vor dem Dunkelwerden ausgehen und wir gelangen wie vom Zufall geführt zum Grab des berühmten Arztes Dr. Eisenbarth. Er hatte Könige behandelt, war in Gefolgschaft von Gauklern von Land zu Land gezogen, hatte neuartige medizinische Instrumente entwickelt, die er seiner Zeit voraus mit Feuer sterilisierte. Ein Weltbürger, dessen Nachruf die Stadt weiter prägt.
Schwanmutter beseitigt unangenehmen Abfall
Am Weg zurück werfen wir von einer Straßenbrücke noch einen Blick auf das letzte Wehr km 107,8 auf unserer Fuldatour. Laut Flussführer kann man den Überlauf eventuell fahren. Mit unserem beladenen Kanadier sehe ich jedoch keine Möglichkeiten einer trockenen Durchfahrt. Da fällt uns eine Schwanmutter mit 7 Jungen ins Auge, die mit halbkreisförmig ausholenden Bewegungen ihres Halses Treibgut, Gras und Abfall aufsammelt und hinter sich wirft. Will sie ein Nest bauen? Das wirkt unsinnig, ihre Jungen sind ja schon groß. Mit lang gestreckten Hals arbeitet der Vogel sich so zum Wasser vor. Schließlich richtet sie sich auf, watschelt auf dem gesäuberten Streifen gemächlich in die Fulda und schwimmt davon. Die Jungen strecken beim Verschwinden der Mutter aufgeregt den Hals aus dem Gras und folgen ihr nach. Die Schwanmama hat sich und ihrem Nachwuchs den Weg zum Wasser von Unrat befreit. Die Natur hält doch faszinierende Zeichen für uns Menschen parat!

Motive vom Zeltplatz aus eingefangen


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