Fulda - Weser und Loire

Sonntag, 10. Juli 2011

Von Hameln bis Rinteln



Weser 10. Tag

Der sympathische Altpaddler plaudert ziemlich ausdauernd mit uns am Morgen und gibt zum Abschluss Tipps für die Etappe bis Rinteln. Während wir noch frühstücken, schiebt er bereits das Boot zum Steg, da er bald in Rinteln  ankommen will um das Auto zu holen. Wir hingegen lassen uns Zeit.
Die Zeltstadt gegenüber wird abgebaut, die Familie mit dem Baby bricht mit dem Auto auf, es bleibt das Ehepaar „Eisenhüttenstadt“ mit leicht gehbehinderter, aber hübscher Tochter zurück. Sie bepacken ihre beiden Kajaks und die Alten streiten dabei ziemlich verbissen. Die Tochter lässt das familiäre Gewitter schweigend über sich ergehen. 

Paddler in völkerverbindender Mission

Gestern noch hatte ein Angehöriger von den „Eisenhüttenstädtern“ ein paar freundliche Worte mit mir gewechselt, als wir gemeinsam den Gatz-Cherokee mit dem Indianerfoto näher betrachteten. Aber bei diesem mürrischen Ehepaar scheint es ähnlich zu laufen wie mit den "gelben Paddlern", die schon beim Gruß mit eisiger Distanzhaltung reagieren, sodass jede weitere Kommunikation unterbleibt. 

Dicke Schaumklumpen treiben am Bootssteg vorbei.

Um den Steg herum haben sich die Schleim- oder Schaumansammlungen vom Vortag sichtbar vermehrt. Sie bilden entlang des Ufers einen geschlossenen Belag. Da müssen wir durch. Wenigstens ist der Dreck geruchsneutral.

Bootsgasse in Hameln km 134,8

Gleich nach dem Kanuklub überqueren wir den Stausee und kommen zur Bootsrutsche an der linken Seite des Wehrs. Der Altpaddler hat uns auf einen heimtückischen Knick in der Rutsche hingewiesen, der sich bei gutem Wetter und normalem Wasserstand jedoch als harmlos herausstellt. Bemerkenswert ist, dass das Wasser ohne Unterbrechung durch die Betonrinne strömt.

Ausgedehnte Schafweiden an der Weser

Es folgt Genusspaddeln mit gelegentlichem Dahintreiben, Plaudern und Betrachten der Landschaft.
Nach Hessisch Oldendorf km 147

Über den Tag ist es zeitweilig bewölkt, gegen Abend setzt leichter Regen ein, es ist jedoch warm und alles trocknet immer wieder rasch auf.

Im Kanuklub Rinteln km 163,0 ist vorerst kein Platzwart anwesend, dafür Klubmitglieder im Mannschaftscanadier, die gleichzeitig mit uns eingetroffen sind. Gut gelaunt meinen sie, wir sollen schon mal aufstellen, die Bezahlung kann später erfolgen. Die gut gelaunte Runde veranstaltet mit einigem Hallo vor dem Vereinshaus eine Grillparty, bleiben aber unter sich.

Ein Blick auf die Wiese zeigt, dass alle Paddler dieses Tages vor uns angekommen sind. Schräg unter uns stehen zwei Zelte, daneben zwei Einer-Kajaks. Eine Frau und ihr rothaariger sechzehnjähriger Sohn sitzen schweigsam da und lesen. Ein Stück weiter stehen verschlossen die Zelte und Boote von „Eisenhüttenstadt“. Auch wir ziehen das Zelt zu und machen uns auf den Weg nach Rinteln.

"Wer seine Menschen- und Bürgerpflicht am Tage treulich hat verricht, dem ist auch in der Abendstund vor Gott und Mensch ein Trunk vergunnt."
Der Paddlerhunger treibt uns an bei der Suche nach einer günstigen Essgelegenheit, wir träumen von einer nahrhaften, ordinären Pizza. Nicht zu teuer, aber auch kein Mikrowellen-Fastfood. Wie schon öfters auf Flussreisen erlebt, hat sich der Geruchssinn am Wasser geschärft. Es ist faszinierend, wie man entsprechend hungrig je nach Wind schon aus einer Distanz von mehreren Straßenzügen ein Restaurant riechen kann und an Ort und Stelle, wie alt das Frittierfett ist. So verlassen wir uns bei der Suche vor allem auf die Nase.
Wir haben Glück. In einer ruhigen Seitengasse unweit der Kirche entdecken wir schon bald ein einfaches griechisches Kellerlokal mit moderaten Preisen.
Viele Gäste sind hier nicht, wir sind die einzigen. Der Wirt ist Koch und Kellner in einem, hat wohl wegen dem lauen Geschäft einen deprimierten Zug um die Augen und telefoniert in ernstem Tonfall mit seinen Landsleuten. Krise hier, Krise dort. Es dauert alles griechisch lange, aber meine Nase empfängt durchwegs positive Signale aus dem Küchenbereich, frische Zutaten, der Mann wirkt kompetent. Nach einer langen Weile lassen wir uns das von Gaumen und Magen  bestätigen. Als wir bei der Abrechnung das übliche Trinkgeld geben, hellt sich die düstere Stimmung des Kochs merklich auf. Griechische Köche haben es in Zeiten wie diesen scheinbar nicht leicht.

Eine historische Aufnahme des Verschönerungsvereins von 1878 Rinteln e.V.
Frisch gelabt machen wir uns an die Erkundung der Altstadt. Dabei entdecken wir Schautafeln am Fluss, die den Blick auf das andere Ufer in historischen Aufnahmen zeigen. Vor 130 Jahren sah natürlich einiges anders aus, aber dort wo sich heute der Kanuklub befindet, gab es schon damals Baracken mit der Aufschrift "Kanustation" und "Unterstand für Boote".

Kanuklub Rinteln am gegenüber liegenden Ufer
Zum Vergleich mache ich Aufnahmen vom heutigen Panorama. An der Stelle des "Unterstandes für Boote" befindet sich ein Freibad, das Gebäude des Kanuklubs steht noch da wie damals.

Katholische St. Sturmiuskirche von Rinteln
Am Rückweg machen wir noch eine Runde um die katholische St. Sturmius Kirche am Alten Hafen. Eine Hinweistafel bestätigt meine Vermutung, dass es sich bei der 1888 geweihten Kirche um ein neugotisches Bauwerk handelt. 
Wir schlendern gemächlich über die Brücke und lassen uns an einer Kreuzung den Weg zu einem Supermarkt für das morgendliche Brötchenholen erklären. Es riecht nach halb verbranntem Frittierfett. Und wen sehen wir aus der Grillbude kommen? Eisenhüttenstadt. Wir grüßen uns knapp im Vorbeigehen, der Mann wirkt eine Spur zufriedener mit dem Leben, vielleicht hat es ihm geschmeckt.









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