Fulda - Weser und Loire

Donnerstag, 7. Juli 2011

Von Oedelsheim bis Beverungen

Weser 7. Tag

Nach dem morgendlicher Einkauf in Oedelsheim, wandern wir noch einmal durch den Ort und bewundern das Fachwerk mit Psalmen, eigenwilligen, fast drohenden Sprüchen oder Widmungen. In der Stille des Morgens werfen wir einen Blick in die evangelische Martinskiche, der sehr schlichte Innenraum erzeugt unvermittelt eine meditative Stimmung. Beim Verlassen des Gotteshauses schlägt die Turmglocke wie zum Gruß.
Das Wetter bringt uns manchmal leichte Regenschauer, jedoch mit viel Sonne und überwältigenden Wolkenbildern dazwischen, Himmel, Fluss und Landschaft ergeben eine atmosphärische Symphonie. Es wird dann doch ein relativ heißer Tag.
Fachwerk-Ensemble bei Gieselwerder km 27,5
Es hetzt uns nichts und besonders unser Junior hat heute wenig Lust auf eine längere Ertappe, oder jede andere Form von "außerordentlicher Aktivität".

Hochseilfähre und Kirchlein in Wahmbeck km 35,8
So bleibt es bei einem eher theoretischen Aufzählen der Hugenottensiedlungen, an denen wir vorüber treiben. Auch das sicher sehenswerte Hugenottenmuseum in Bad Karlshafen km 44,4 heben wir uns für ein Andermal auf, im Moment sind wir ganz auf das Flusserlebnis fixiert.

Farbskizze: Flussabwärts gesehen Richtung Würgassen km 47,3
Es ist sicher ein Art Urlaubsreflex, verstärkt durch die Kältetage auf der Fulda, dass wir uns jetzt unter der heißen Sonne einen Strand mit schattigen Uferbäumen wünschen. Endlich finden wir einen geeigneten Flecken und lassen das Weserwasser ungenutzt an uns vorbei ziehen.

Riesige Campingwiese des WSV Beverungen

Der Strandaufenthalt und der Wunsch heute nicht mehr weit zu paddeln sind der Grund warum wir an diesem Tag bereits am WSV Beverungen km 51,7 die Boote aus dem Wasser heben. Für meinen Geschmack viel zu früh, man hätten bei der angenehmen Strömung noch ein schönes Stück geschafft, auch die 16 Kilometer bis zum nächsten Kanuklub. Dieser Platz kommt im Flusswanderbuch zwar ganz gut weg, aber ich fühle mich an diesem Tag hier nicht wohl. Dazu kommt der Blick auf eine Atomruine unweit stromauf, wo schlummernde Altlasten vermutet werden dürfen.
Vor dem Vereinshaus mit Restaurant in der oberen Etage stehen Bier trinkende, plaudernde Drachenboot-Teams. Durch das große Restaurant – eine Familie bestreitet damit den Lebensunterhalt - hat die Sportstätte einen kommerziellen Anstrich, das bedingt teures Bier und Duschmarken. Am anderen Ende der Wiese liegen Dauercamper und überall gibt es Schilder mit Verboten und Verhaltensregeln. Die Wirtin scheint meine schlechte Laune zu spüren und meint, heute sind alle wegen dem drückenden Wetter etwas gereizter. Wahrscheinlich einfach nur Pech, aber gerade als wir auf der fussballfeldgroßen leeren Wiese das Zelt aufstellen wollen, kommt ein Junge auf einem nervend lauten Rasenmäher daher und beginnt gnadenlos die Wiese zu mähen.  Wir warten also, bis unser Streifen gemäht ist.  Wäre es nicht doch besser gewesen weiter zu gefahren?
Wohnwagen auf der anderen Seite der großen Wiese
Auf der großen Wiese ohne Bäume und Sträucher könnte es bei einem aufkommenden Gewitter sehr ungemütlich werden. Mit dem drückenden Wetter hat die Wirtin recht, es war den ganzen Tag über heiß, nun kommen Wolken.
Wir rücken so weit es geht mit dem Zelt zum Waldrand hinauf, wo am Fuß eines Hügels die Wiese schräg wird. Das hätten wir auch nicht tun sollen, denn dort parken sich gegen Abend Gäste des Klubrestaurants mit ihren Autos ein.
Der Rasenmäher kurvt immer noch vor uns herum. Ohne Ohrschutz ist der Junge bereits taub vom Lärm und er muss von seinem Opa schreiend herum dirigiert werden. Am Anfang hatte ich mich über die Belästigung geärgert, aber jetzt tut mir der Junge schon Leid. 
Der Rasenmäher zieht nach einer Stunde endlich ab und Ruhe kehrt zurück. Auf der Weser werden in Drachenbooten Kalorien verbrannt. Und gerade jetzt - ein Jubiläum! Wir sichten die ersten Wanderpaddler seit Beginn der Tour! Eine kleine Flotte von vier Personen in drei Kajaks. Ein Alter mit Bart als Chef, zwei junge Männer und eine Frau. Sie errichten ihre Zelte am Ufer neben dem Einstieg. Ich kann aus gut 200 Meter Entfernung das übliche Aufbau-Ritual vage mitverfolgen. Wie weit werden sie wohl fahren? Oft trifft man sich über Tage an den gleichen Zeltplätzen, da die Etappen der Paddler mehr oder weniger "eingeschliffene" Distanzen haben. Beim Weg Richtung Waschraum muss ich jedoch feststellen, dass es sich um eine äußerst muffelige Truppe handelt, die den traditionell freundlichen und unverbindlichen Paddlergruß mehrfach ignoriert. Da kein Gespräch möglich scheint, beobachten wir die introvertierte Runde nunmehr aus kühler Distanz. Vielleicht wirken wir mit unserem isoliert am Waldrand stehenden "Tipi" ebenso wie überdrehte Eigenbrötler, aber immerhin grüßen wir die Leute. Doch bei „Weltmeistern mit sektenhaftem Gehabe“ wäre Anbiederung sicher der falsche Weg. Wegen der Farbe ihrer Boote nennen wir sie fortan die „Gelben Paddler“.

Ein wenig Zeichnen und abendlicher Lesegenuss bringen Gleichmut und gute Laune wieder zurück. Die Nacht ist unruhig, Lärm eines Betriebs am anderen Ufer, die nachtschwarze Atomruine Würgassen im Neonschein – läuft da doch noch etwas? Wer weiß.

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