Fulda - Weser und Loire

Mittwoch, 10. Juli 2013

Von Montsoreau bis Gennes

So malerisch Montsoreau auch ist, eine frische Baguette zum Frühstück und dann ziehen wir weiter. Die Stadt ist ein Touristenmagnet, am gut gefüllten Campingplatz tummeln sich Gäste aus Italien, England, Irland, Holland, natürlich viele Franzosen unter der Morgensonne, aber so gut wie keine Deutschen.
 
Um die Waschräume im Zentrum logieren die Radfahrer und Wanderer, in den Alleen  sieht man vor allem reich ausgestattete Camping-Mobile, am Rand gleich neben uns komfortable Hütten zum Mieten. Dort hat ein weiblicher französischer Fernsehstar exklusiv die Nacht verbracht und lässt sich schon zeitig in der Früh umringt vom Team eines staatlichen Senders von Schaulustigen begaffen. Die Reporter interviewen die Fernsehschönheit und einige repräsentative Gäste.  Mit unserem romantischen nordischen Spitzzelt und dem Plastik-Kanu zählen wir scheinbar nicht dazu. Doch der Star winkt uns zum Abschied und ich freue mich über diese private Geste die zeigt, dass es Very Important Persons gibt, die aus ihrer geschminkten, durch recherchierten Scheinrealität heraus einen siebenten Sinn für die banale Freiheit der Flussreisenden bewahrt haben.

Der Wetterbericht kündigt - nahezu unfassbar - weitere Hitze für die kommende Woche an. Im gleißenden Morgenlicht strahlt jede Einzelheit des Loiretales in idealer Schönheit.
Unterhalb der nächsten Brücke km 808 können wir einem weitläufigen Strand nicht widerstehen, die Hitze treibt uns ins Wasser, wir schwimmen gegen die sanfte Stroemung und legen uns unter den Schatten der ausladenden Baumkronen. In der Nähe gibt es Schafe und der Sand ist so heiß, dass man barfuß nicht darauf laufen will.



Die Loire wird nun sehr breit, die Strömung pendelt zwischen den Inseln hin und her, es gibt viele seichte Stellen, die bei Niederwasser sicher alle trocken fallen und dem Flusslauf einen ganz anderen Charakter geben. Es geht nun merkbar langsamer voran. Der Ostwind setzt uns manchmal seitlich zu, wie solche Stellen bei kräftigem West(gegen)wind zu fahren wären, male ich mir lieber gar nicht aus. Die hochsommerlichen Schönwetterbedingungen schalten alle weiteren Schwierigkeiten aus. Es gibt weder Unwetterwarnung noch Umtragungsschikanen,  die Strömung macht die Tagesetappen zum Kinderspiel, die Menschen sind ultrafreundlich. Es kommt die absurde Lust auf, zu bremsen, im Rückwärtsgang stromauf zu paddeln, um Strecke und Zeit zu sparen.

Wir kommen nach Saumur km 818, auch hier müsste man mindestens einen Tag bleiben. Kavalerieschule, Notre Dame des Ardilliers und das Schloss gleiten viel zu rasch vorüber, von der Stadt selbst bekommt man vom Fluss aus eher wenig mit.


In der Hitze des Tages lassen wir so manche weitere Sehenswürdigkeit liegen, wie Treves Cunault km 829.

Unser Tagesziel ist Gennes km 834, hier können wir uns ein wenig umsehen.  Gleich nach der markanten Hängebrücke gibt es am linken Ufer eine breite mit Steinen gepflasterte Rampe, wir schieben den Kanadier am Bootswagen über rumpeliges Pflaster die 250 Meter zum Campingplatz oberhalb der Brücke. Wie immer in den letzten Tagen begegnen uns Ruhe und Freundlichkeit trotz der zahlreichen Kinder, welche ihre Lager hier aufgeschlagen haben. Wir finden einen schattigen Winkel und beobachten französische Radfahrer, Auto-Camper und organisierte Feriengruppen, die vom großen Kochen erfasst werden. Überall begibt man sich zu Klapptisch und isst zu Abend.

An den kulinarischen Rhythmus der Einheimischen wollen wir uns nicht anpassen, da die touristische Neugier zu groß ist und wir brechen auf, um die Umgebung zu erforschen.  Wir wandern aufs Geratewohl zur Église Saint-Vétérin, einem eindrucksvollen Bauwerk dessen Geschichte bis ins 9. Jahrhundert zurück geht. Dann stolpern wir über einen Lageplan, welcher die Position von Dolmen und einem Amphitheater anzeigt.


Wir latschen aus der Stadt hinaus und besichtigen einen der Dolmen, welcher ca. 4000 Jahre am steinernen Buckel haben soll. In geschichtlicher Zeit war der Dolmen noch als Stall und/oder Backstube verwendet worden. Heute dient er als begehbare Touristenatraktion. Zuvor habe ich noch nie ein Bauwerk gesehen, das ohne wesentliche Umbauten über mehrere Jahrtausende in Verwendung ist. Die Platten scheinen auf den senkrechten Felskanten zu schweben, die minimalen Auflagepunkte haben allen Erschütterungen und der Verwitterung getrotzt. Geplante Obsoleszenz kam den Erbauern sicher nicht in den Sinn und dient so nebenbei als Mahnmal der Beständigkeit für die Architekten unserer Halbwerts-Wegwerfgesellschaft.



Wir treten den langen Weg zurück an, über die Hängebrücke zur anderen Flussseite. Gennes war im Frankreichfeldzug 1940 Schauplatz eines außergewöhnlichen Gefechts. Beim Betreten der Brücke sind die feinstofflichen patriotischen Schwingungen zu spüren.


Wir finden an mehreren Stellen Gedenktafeln von der Schlacht von Saumur (Battle of Saumur), bei der an der Brücke von Gennes eine Handvoll junger Kadetten der Kavallerieschule in heldenhafter Weise den weiteren Vorstoß der deutschen Wehrmacht für zwei Tage aufgehalten konnten. Der Geist des Widerstandes wurde angefeuert von der Notwendigkeit die Brücken so lange wie möglich für eigene Transporte und den Flüchtlingsstrom zu halten. 





















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