Fulda - Weser und Loire

Dienstag, 9. Juli 2013

Von Langeais bis Montsoreau

Erst spät am Vormittag räumen wir unsere Robinson-Insel. Gestärkt von den Stunden in der Wildnis ziehen wir weiter. Am Vorabend war am Ufer viel los, einige Jugendliche hatten lautstark am Strand vor der Stadt gefeiert, nun liegt alles friedlich da, vereinzelte Camper und Fischer sind anwesend. Gleich unterhalb der Insel sehen wir die Hängebrücke von Langeais  km 777, Schloss und Stadt lassen wir leider unbesichtigt, wohin mit Boot und Ausrüstung? Aber bereits vom Fluss aus ist der Anblick außergewöhnlich.
Dazu kommt, dass uns auch an diesem Tag der herrliche wolkenlose Himmel mit dem verheißungsvollen Ostwind erhalten bleibt. Wir genießen die sanfte Flusslandschaft mit ihren zahlreichen Stränden.

Das einzige Problem, das kurzfristig auftaucht ist möglicher Wassermangel. Durch die Hitze leidet die Qualität des Trinkwassers in Pet-Flaschen und im Faltkanister und um etwas Gewicht zu sparen hatten wir zuletzt wenig abgefüllt. Wer weiß, wo wir nächste Nacht landen, wie die Wasserqualität beim nächsten Campingplatz aussieht? Es ist also besser, sich rechtzeitig darum zu kümmern. Denn eines ist sicher - auch heute wird es sehr heiß und der Durst groß.

In Brehemont km 788 legen wir am Kai an, um Mineralwasser und ein wenig Verpflegung nach zu kaufen, da es laut Flussführer hier eine Einkaufsmöglichkeit gibt. Die schattigen Bänke unter der Baumallee sind von zahlreichen Radtouristen bevölkert, die hier Rast machen und vor der Mittagshitze flüchten. Ich laufe auf und ab, Kirche, Kneipe, Boulangerie, aber Lebensmittelladen finde ich keinen. Das Dorf brütet in der Sonnenhitze dahin. Am Radweg befinden sich in einigem Abstand gelbe Informationsstafeln mit der Ankündigung, dass am 11. Juli 2013 die 12. Etappe der 100. Tour de France hier durchkommen werde.

Also bleibt nur die Boulangerie. Im Eisschrank stehen einige Mini-Wasserflaschen, für uns unbrauchbar. Die Besitzerin spricht kein ausländisch, holt aber schnell die Tochter herbei und mit gestenreichem Englisch versuche ich verständlich zu machen, dass wir  mit dem Boot von Orleans herunter gekommen seien und Wasser bräuchten. Sie meint, kein Problem. Ich sprinte zum Boot und hole alle verfügbaren Wasserbehälter und bald sind Vater und Tochter mit dem Abfüllen beschäftigt. Ich freue mich über diese hilfsbereiten Menschen eben so sehr wie über 13 Liter frisches Wasser! Sie verlangen nichts, aber ich drücke der Tochter als Dankeschön ein kleines Trinkgeld in die Hand.

Ob Schlösser, Restaurants, Museen oder Radrennen, unsere Leidenschaft ist im Moment die Loire und jede Minute, die wir auf dem Fluss verbringen. Genussvoll trinken wir in der sengenden Hitze das gute kühle Wasser von diesen herzlichen Leuten und bei jedem Schluck sage ich innerlich Danke.

Chapelle-sur-Loire km 791, Ort und Fluss bieten einen unvergesslich friedlichen Anblick. Es ist verwunderlich, wie mild die Tage dahin fließen. In den letzten Jahren hatten unsere Touren ihre eindeutigen Härten. Gewitterfronten, kalte Regentage, lebensgefährliche Motorbootepisoden, saufende Ruhestörer, Hochwasser und so weiter. Entsprechend vorsichtig und gefasst haben wir diese Fahrt in Angriff genommen.
Seit wir das Boot in das Wasser gesetzt haben ist ein Tag sonniger, ruhiger und sanfter als der andere, als bemühten sich Wetter, Fluss und Anwohner darum unsere Fahrt so angenehm wie möglich zu gestalten.

Einen gewaltigen Schandfleck in all der Schönheit bildet die nun auftauchende Centrale nucleaire, ein Atomkraftwerk bei km 796,5 - 798. Zwar wird durch diese Anlage die harmonische Naturlandschaft  erstaunlich wenig beeinträchtigt, was einem den Magen umdreht, ist die verschandelte Zukunft jedes Fleckens Erde, auf dem Atommüll lagert. Atomruinen sind für mich Monumente der Ignoranz und Verantwortungslosigkeit gegenüber kommenden Generationen, die mit unserem Dreck fertig werden müssen.

Die Brücke bei km 798 hat einen befahrbaren Schwall, die Durchfahrt ist mit einer gelben Tafel gekennzeichnet. Nach Chouze-sur-Loire km 801 finden wir wieder eine Stelle zum Baden, Essen, Ausspannen. Unweit davon führen zwei Fischer in ihrem Boot mit vielen Wiederholungen ihre Fangtechnik mit Netz vor.

Gemächlich paddeln wir weiter, die Strömung bringt uns zeitig zum nächsten Etappenziel - Montsoreau km 807,  der Zufluss der Vienne km 806 ist ein beliebter Badeplatz der Bevölkerung, wir genießen wieder in vollen Zügen die Stimmung in die Landschaft und lassen uns am monumental wirkenden Kasten der Nordfront des Schlosses vorbei treiben.

Der Campingplatz hat eine alte metallene Anlegestelle und der Weg an zwei Tennisplätzen vorbei führt durch die Hintertür. Das Chateau und der pittoreske Ort bewirken, dass der Platz sehr stark frequentiert ist, aber die junge Dame an der Rezeption bleibt trotz des Gedränges extra freundlich, spricht Englisch und für 20 € bekommen wir eine gewünschte Nische abseits des Trubels gleich neben der Hintertür. Sie nimmt sich sogar die Zeit und sucht uns per Internet einen an der Loire gelegenen Campingplatz knapp vor Nantes  heraus, da ich bei der Planung für die letzte Etappe nicht fündig geworden war. So haben wir mit ihrer Hilfe einen entscheidenden Hinweis bekommen, wie wir die Tour komplett bekommen.

Die Duschen haben den kleinen Nachteil, dass sie nur heißes Wasser liefern, was nach so einem Hitzetag wenig Erfrischung bietet. Nun, so wird Wasser gespart, wer will sich schon bei 35 Grad heiß duschen? 
Wir erkunden den Ort und bewundern die Gässchen um das Chateau Montsoreau, wo vieles zum Verkauf steht. Spaßeshalber phantasieren wir über diverse Möglichkeiten sich romantische Häuschen, Höhlenwohnungen und Weingärten hier zuzulegen. Aber würden wir hier wirklich leben wollen, Auge in Auge mit dem Atomkraftwerk ein paar Kilometer stromaufwärts? Die Aussicht, dass jedes noch so kleine Leck diese wunderbare Gegend hier verseucht, macht alle positiven Träume zunichte. 

Die Sonne sinkt, es ist spät geworden und wer zu spät kommt den bestrafen an der Loire die Wirte, indem sie zusperren. Wieder haben wir den Einstieg in die Cuisine française verpasst und wollen uns mit dem mitgebrachten Proviant begnügen, da sehen wir am anderen Ende der Stadt einen mobilen Pizzastand mit richtigem Holzkohleherd. So klingt eine gemütliche kulinarische Nacht vor dem Zelt unter sternenklarem Himmel aus.







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