Fulda - Weser und Loire

Freitag, 5. Juli 2013

Start in St.Ay (Orleans) bis Nouan-sur-Loire

Ein kühler Morgen, aber optimistisch schauen wir zwischen den Wolken auf die kleinen blauen Fenster, die vom Nord-Ostwind aufgerissen werden. Das Flussbett der Loire ist bis zum Rand gefüllt von der ausklingenden europaweiten Hochwasserperiode. Der Wetterbericht verspricht eine Menge sonniger Tage.

Zahle dem Platzwart in der Früh 13 €, dann laufen wir zum nahen Bahnhof, um die Zugverbindungen ins westliche "Niemandsland"zu checken. Laut Fahrplan hält hier nur einmal täglich ein Zug um 17.00 Uhr, werktags. Das heißt, die Rückholung des Wagens funktioniert nicht an einem Wochenende.
Die vielen Handgriffe rund um Zelten und Ausrüstung müssen bei wieder erneut eingeübt werden, bis alles wieder optimal sitzt. Das Zeltpaket ist am Anfang doppelt so groß wie am Ende der Tour und mit dem nötigen Geistesblitz vor Ort trennt man sich im letzten Moment von einem weiteren Berg Gewand und sonstiger Sachen, die im Auto zwischengelagert werden, anstatt sie als Ballast in der Gegend herum zu schleppen. Standard sind Listen, was man mitnehmen sollte, ebenso praktisch wäre eine persönliche Liste, was man regelmäßig mit schleppt, aber ruhig daheim lassen könnte.

Ich hoffe, dass wir nicht als klassische Selbstdarsteller rüber kommen. Es stört uns nicht, anonym zu bleiben und weichen der Masse aus so gut es geht. Auch im Internet - und denke, dass dieses Reisetagebuch vor allem ein paar Eingeweihte interessiert und freue mich, wenn mein Laster des Zeichnens und Fabulierens mit Nachsicht behandelt wird. Es stellt auch den Versuch dar, den Stand der Loire als Wanderfluss zu aktualisieren.
Mit dem Boot lassen sich Orte erreichen, wo die Seele frei ist von den Plagen des Massentourismus, die Flussbiotope, die Auen und wilden Inseln der Loire. Ihre Unbändigkeit und Wildheit dürfte für viele Freizeitkonsumenten Gott sei Dank eine hohe Barriere sein, vor allem was den motorisierten Sektor betrifft. Die Ruhe in der Natur welche wir vorfinden, öffnet das Herz und wer seine alltäglichen egoistischen Bindungen ein wenig lockern kann, wird in der Lage sein, die sanfte Persönlichkeit der Loire in ihrer ganzen Schönheit zu empfinden.


Der hohe Wasserstand bewirkt eine rasche Strömung, was Tagesetappen ohne besondere Paddelarbeit verspricht. Der Fluss wirkt wie eine Donau vor 30,40 Jahren, als es dort ebenso wilde Ufer, endlose Auen und zahlreiche Schotterinseln gab und man sich in der freien Strömung von Passau nach Wien treiben lassen konnte. Große Teile der Donau sind mittlerweile unattraktiv geworden durch viele endlose, öde Stauseen samt dem lästigen Motorbootverkehr, von stumpfen Landschaftsarchitekten zum Kanal degradiert und trotzdem ein Hochwasser-Problemkind. Wir sind diesmal auf die Loire ausgewichen und können in den ersten Momenten am Wasser das Glück kaum in Worte fassen, bei idealem Wetter auf so einem schönen Fluss zu sein.


Was soll man sagen, es ist einfach herrlich. Bereits die ersten Minuten ein voller Genuss. Villen am rechten Ufer. Bei km 654 gibt es zwischen den Resten einer alten Steinbrücke den ersten Schwall. Besichtigung die Stelle am rechten Ufer, für den vollen Kanadier ist die Rinne zu verblockt, mit ein wenig Geschick lässt es sich treideln.


 Auf solche Hindernisse sollte man auf der Loire vorbereitet sein. Praktisch jede Brücke bis in die Gegend von Angers bildet je nach Wasserstand ein Hindernis, das mit äußerster Vorsicht analysiert werden sollte. Es sind weniger die Steine sondern der Mensch welcher an Wehren den  gefährlicheren Part beiträgt mit verrottetem Stahlbeton, antiken Nägel und vom Rost zerfransten Moniereisen.  

So wird auch bei km 662 die herrliche Steinbrücke von Beaugency nicht durchfahren sondern am rechten Ufer umtragen. Es gibt eine Rampe für den Ausstieg und unterhalb Stufen. Ohne Zweifel ist Beaugency besuchenswert, aber wir sind zu früh dran und wollen das volle Boot nicht unbeaufsichtigt am Ufer zurück lassen. Letzteres ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Wir nehmen in Kauf, dass uns dabei  manche malerische Altstadt entgeht.

Diese romantische Wehmut währt nicht lange, sie wird bei km 671 von einem Kernkraftwerk zerstrahlt. Die Centrale nucleaire St. Laurent des Eaux beherrscht den Horizont und beschneidet die gesunde Freiheit der Loire mit einem 2 Meter hohen Betonwehr. Wir fahren zwischen den abgesoffenen Resten von Spundwänden in einen rechten Seitenarm und finden auch die verwilderte beschilderte Umtragestelle. Der Beton bröckelt dahin. Ich frage mich scherzhaft, ob die Anlage ein Prestigebau aus der Epoche Ludwig des XIV. ist. Das Wehr ist touristisch unfahrbar, hoher Schwall, danach Walze.

 Und das war's dann schon für den heutigen Tag. Die Strömung nimmt rasch wieder Fahrt auf und spült uns wenige Biegungen weiter nach Nouan-sur-Loire, wo wir bei km 676 am linken Ufer den Zeltplatz finden. Wir mühen uns durch den Hochwasser bedingten schlammigen Ausstieg in einer kleinen Bucht, von dort geht es mit dem Bootswagen ca. 200 Meter auf einem Radweg bis zum Eingang. Ein schöner, großer Platz, die Leute sind angenehm und freundlich. Wir wollen noch etwas sehen und spazieren nach dem Zeltaufbau durch das herb-pittoreske Städtchen mit seiner markanten Kirche, eine von vielen, die wir noch sehen wollen. 

Um dem 47. Breitengrad bleibt es länger hell, daher geht das aktive Leben von Kindern und Erwachsenen bis zehn oder elf am Abend. Sofort fällt uns der Kinderreichtum der französischen Familien auf, was mit der hiesigen Kinderpolitik zusammen hängt. Dadurch wirkt das gesamte soziale Leben lebendiger. Die Kleinen sind viel selbständiger, die größeren passen auf die Kleineren auf und die Erwachsenen belegen bis in die Nacht den Kinderspielplatz mit endlosen Partien Volleyball.







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