Aufbruchstimmung am Standort Röblinsee
Der Zeltplatz am Röblinsee ist als Standplatz recht gut, allerdings für Eintagestouren mit der Zeit eintönig, da es nur zwei Richtungen gibt. Wie gestern die Havel abwärts Richtung Stolpsee, oder aufwärts Richtung Ellbogensee. Wenn man am selben Tag zurück sein will, war es das schon. Es empfiehlt sich also von hier Mehrtagestouren zu planen, um in andere Regionen zu kommen. Das wird in der Regel auch so gemacht. Da wir nur drei Tage bleiben wollen, bietet sich an, nach einem Paddeltag in westliche Richtung einen Campingplatz zu suchen und am Tag darauf die selbe Strecke retour zu nehmen. Es dauert einfach ein paar Tage, bis man mit dem ganzen Gepäckskram zurecht kommt, die Trimmung des Bootes passt und man weiß, welches unnötige Zeug im Auto bleiben kann. Meist nimmt man, aus Sorge, auf einer längeren Tour geht einem etwas ab, zu viel mit und es ist gut, wenn es dann nicht wochenlang unnötig herum geschleppt wird. Und so werden gleich am Anfang entbehrliche Dinge im Auto mitgeparkt.
Endlich kann es losgehen. Noch lange sind wir nicht perfekt, durch das ausgedehnte Morgenritual und die logistische Herumfeilerei wird es beinahe Mittag bis wir auf dem Wasser sind. O.k., noch fällt das was wir machen unter die Kategorie Badeurlaub und entspannte Einstimmung auf die Tour.
Schleusenanlage Steinförde
Die Havel und die dazwischen liegenden Seen werden von vielen Motorjachten frequentiert. Ich sage es gleich, wir sind keine Freunde der Motorboote, wegen der schlechten Erfahrungen auf der Donau. Aber in den Gewässern von Mecklenburg geht es sehr gesittet zu. Die kolossalen Motorboote tuckern mit Schrittgeschwindigkeit auf eng bemessenen Fahrtrinnen dahin und an den Schleusen hat man als Paddler das Privileg, sich ganz vorne in der Warteschlange einzureihen.
Unter den Hobbykapitänen sieht man überdurchschnittlich viele schwergewichtige Männer, die sich gebärden, als hätten sie das Schiffspatent für alle Weltmeere. Es macht nichts, Kinderträume hinterlassen verschiedene Spuren im Erwachsenen, die einen paddeln ihr "Schiff" oder "Indianerkanu", die anderen stehen hinter dem Steuerrad einer gemieteten Luxusjacht. Es ist doch herrlich, wenn man seine Träume auf so harmlose Weise ausleben darf.
Warum es in Mecklenburg so gut funktioniert und auf der Donau z.B. nicht, das ist eine andere Frage.
Eine Testfahrt mit vollem Outfit unter angenehmen Bedingungen
Hinter dem Wanderpaddeln steht auch die Lust auf Reduzierung, Verwilderung, soziale, naturbezogene Freiheit. Sicher sind Paddeltechnik und Raffinesse in der Ausrüstung neben guter Orientierung und Einschätzung der jeweiligen Situation
ein pragmatisches immerwährendes Lernfeld. Dazu kommt die körperliche Fitness. Aber die Krönung ist die Abnabelung von zivilisatorischer Scheinsicherheit, die Erlangung neuer mentaler Kräfte. Es ist ein sehr persönliches Ziel, das kaum mitteilbar ist, da es für den "Durchschnittsmenschen" abstrakt klingt, oder so aufgefasst wird, dass es nicht erstrebenswert ist. Bei zwei, drei Tagen auf dem Wasser ist diese Krönung meist noch in unbestimmter Ferne, das weiß man. Und man ist glücklich, eine ausreichend lange Tour vor sich zu haben.
Menowsee - Ziernsee - Ellbogensee - Baden an einer einsamen Stelle. Das Wetter sonnig, heiß, wolkenlos. Wir feiern diesen göttlichen Nachmittag in einem Restaurant an der Schleuse Strasen. Das Essen ist hier überall phantastisch, die Portionen riesig. Es wundert uns nicht, dass bei dieser Gastronomie sie viele Übergewichtige herumlaufen. Wären wir länger in der Gegend, würde uns trotz sportlicher Aktivitäten das gleiche Schicksal treffen. Prall spannt sich der körpereigene Auftriebskörper. Dabei wäre es doch viel ratsamer den übers Jahr angesammelte Bauchspeck abzuarbeiten, anstatt bei deftigen Preisen das Reisebudget vorschnell wegzuschmelzen. Doch Essen gehört nun mal zum Kulturgenuss.
Ganz entspannt erreichen wir den Kleinen Pälitzsee, wo wir meine Eltern irgendwo treffen könnten. Auf gut Glück laufen wir den Campingplatz Pälitzsee an, von weiten sehen wir die Terrassen voll mit Caravanen, Stege mit Motorbooten, reger Betrieb auf den breiten Wegen zwischen den Föhren. Von Eltern keine Spur. Wundert mich nicht. Der Platz bietet keine Idylle. Doch es gibt eine Anlegestelle für Paddler. Da es schon spät ist, müssen wir diese Option ins Auge fassen. Auf dem ersten Blick gibt es hier nur zwei bescheidene Terassen für Bootstouristen, die schon von einer jungen Gruppe belegt wurden, die ihre Sachen schnell überall verstreut haben, damit sich niemand anderer hinstellt. Es bliebe uns nur eine kleine schräge Stelle im letzten Winkel, wo es insgeheim nach Abwasser riecht. Fazit: im Moment überlaufen, verschmutzt, untragbar. (von einer weiteren Zeltmöglichkeit an diesem Platz erfuhren wir erst im Nachhinein). Wohin jetzt? Beim Herpaddeln sahen wir eineinhalb Kilometer entfernt am anderen Ufer einen komplett leeren Platz mit großen gepflegten Rasenflächen. Bundeszeltplatz, etwas mit Pfadfinder, Anlegen nur für Mitglieder usw. . Er ist auf meiner Jübermann-Karte auch nicht eingezeichnet, aber dies ist ein Notfall. Besser dort mit jemandem Verhandeln als hier bleiben.
Postkarte des VCP-Bundeszelplatz Großzerlang
Der VCP-Bundeszelplatz Großzerlang entpuppt sich zu unserer Freude als Station für Paddler, die hier einmal übernachten dürfen. Die Anlegestelle für Kanus liegt eher versteckt am Ufer, am Steg gibt es ein Kästchen mit Folder und der oben gezeigten Postkarte. Wir glauben zu träumen, als wir die riesige, gepflegte Anlage betreten. Mit einem weiteren Paddelpärchen sind wir so gut wie alleine hier. Am anderen Ufer das Gedränge der Platzhirschen und hier die Ruhe und Einsamkeit, ein unerwartetes Geschenk an diesem großartigen Tag!
Ganz im Geist der Pfadfinder nehmen wir die Infrastruktur der Gastgeber in Anspruch, lesen folgsam alle Instruktionen mit dem Übermotto: Du sollst nichts hinterlassen als deinen Dank und einen guten Namen. Wir machen aus bereitgestellten Balken Feuerholz und ein kleines Lagerfeuer begleitet uns in die Nacht.
Die weitläufige Anlage bietet Platz für Hunderte Jugendliche.
Am Morgen erscheint ein freundlicher Mann, welcher die Platzgebühr kassiert.
Er meint dass wir besonderes Glück hätten, normalerweise sind so viele Jugendgruppen am Platz, dass wir kaum hier angelegt hätten. Der Zeltplatz ist de facto für die ganze Saison vor reserviert. Bald ist hier wieder alles voll.
Wir machen uns auf den Rückweg und bereiten uns für die Fahrt nach Bad Hersfeld vor.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen